KOLUMNE
Die Karl-Kolumne ergänzt die Printausgabe des Karl. Die Kolumne präsentiert Rezensionen aktueller und alter Schachbücher, Betrachtungen über die Literatur, Kultur und Psychologie des Schachs und gelegentliche Kommentare zum aktuellen Schachgeschehen.
FERNSEH-TIPP: KASPAROW BEI ARTE
von FM Harry Schaack
„Durch die Nacht mit … Garri Kasparow und Peter Thiel“, ARTE, Mittwoch 5.1.2011, 0:15 Uhr
Wiederholungen: 06.01.2011 um 05:00; 12.01.2011 um 05:00
In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch begleitet ARTE fast eine Stunde lang den 13. Schachweltmeister Garri Kasparow und den aus Frankfurt stammenden US-amerikanischen Unternehmer, Milliardär und Visionär Peter Thiel bei ihrem kleinen Streifzug durch New York. In dem Serienformat „Durch die Nacht mit …“ bringt ARTE zwei Prominente zusammen, die sich ohne Moderator und ohne vorgegebenes Programm zwanglos unterhalten und dabei von einem Kamerateam an verschiedene Orte begleitet werden.
Peter Thiel, der sein Geld mit PayPal machte, war der Wunschgesprächspartner Kasparows. Thiel ist ein wahrer Tausendsassa. Nach dem Verkauf von PayPal an eBay gründete er u. a. eine Investmentfirma, kaufte Anteile von Facebook, investierte in Filmprojekte und unterstütze die Altersforschung.
Thiel und Kasparow kennen sich schon lange und sind befreundet. Bei ihrer Reise durch das nächtliche New York kreisen ihre Diskussionen um Fragen zum aktuellen Zustand der Wirtschaft, der Technologie, Fortschritt, Politik und Menschenrechte.
Die erste Station ist das Robotics Lab der Columbia University. Die Wissenschaftler stellen ihre neuesten Roboterentwicklungen vor, doch Kasparow kritisiert, dass der Fortschritt auf diesem Gebiet hinter den Visionen vor 40 Jahren weit hinterherhinkt. Der technische Fortschritt schreitet in der Gegenwart so langsam wie nie voran und es gibt seit längerem so gut wie keine bahnbrechenden technischen Entwicklungen. Als sie gehen, meint Kasparow zu Thiel, dass all diese jungen Forscher sehr von der Technik begeistert seien, während in seinem Alter der verantwortliche Umgang damit im Vordergrund steht.
Danach besuchen beide den Marshall Chess Club, wo sie vom Vorsitzenden Dr. Frank Brady empfangen werden. Kasparow ist das erste Mal in diesem ehrwürdigen Klub, der schon seit 1931 in diesen Räumen residiert. Hier spielte schon Bobby Fischer. Kasparow wird zu einer Partie aufgefordert, lehnt aber ab. Thiel, der mit einer Zahl von 2200 ein starker Amateur ist, springt ein und blitzt gegen Brady. Kasparow begnügt sich mit der anschließenden Analyse. Dann stößt der amerikanische Großmeister Maurice Ashley zu den beiden und plaudert kurz über die Gründe von Carlsens Ausstieg aus dem Kandidatenzyklus.
Weiter geht die Fahrt auf das höchste Gebäude New Yorks. Das Empire State Building ist Symbol für Fortschritt und Macht der USA. Thiel erinnert sich, wie er mit neun Jahren oben auf der Aussichtsplattform stand und auf Manhattan hinunterschaute – beeindruckt, begeistert und überwältigt.
Im obersten Stockwerk treffen sie den Menschenrechtler und Präsidenten der Human Rights Foundation, Thor Halvorssen. Das Gespräch dreht sich nun um Politik und um die Frage, wie relativ Menschenrechte sind, je nachdem, in welchem Land sie diskutiert werden. Kasparow prangert Putin und Russland an, und bedauert, dass so viele Menschen ihr Heimatland verlassen. „Wohin?“ fragt Thiel, „Anywhere“ ist Kasparows Antwort.
Schließlich endet die nächtliche Reise in einem Nobelrestaurant. Jetzt geht es um Demokratie und die Bedeutung des Fortschritts für die gesellschaftliche Stabilität. Kasparow resümiert: “A lot of people will keep asking questions and very few provide answers.“
Ein schönes Format, ein kurzweiliger Ausflug nach New York und in die Welt zweier Visionäre. Sehr empfehlenswert.