KOLUMNE

Die Karl-Kolumne ergänzt die Printausgabe des Karl. Die Kolumne präsentiert Rezensionen aktueller und alter Schachbücher, Betrachtungen über die Literatur, Kultur und Psychologie des Schachs und gelegentliche Kommentare zum aktuellen Schachgeschehen.

 

ÜBER DIE KONZEPTION VON SCHACHBÜCHERN

von Frank Roeberg

Gambits and Flank Openings Vol 6 Cover

Sipke Ernst & Geert van der Stricht,
Tactics in the Chess Opening, part 6 –
Gambits and Flank Openings,
NewInChess 2007, 230 Seiten,
19,95 Euro

50 Ways to Win at Chess Cover

Steve Giddins:
50 Ways to Win at Chess,
Gambit 2007, 175 Seiten,
19,99 Euro

Franco The Modern Benoni Cover

Zenon Franco:
The Modern Benoni (Chess Explained),
Gambit 2007, 111 Seiten,
17,99 Euro

(Die Belegexemplare wurden  freundlicherweise von der Firma Niggemann zur Verfügung gestellt.)

Stellt man sich die Frage, was ein gutes Schachbuch ausmacht, übersieht man schnell den Umstand, dass oft schon das Konzept ausschlaggebend für den Erfolg ist. Als Autor kann man mitunter sehr viel Arbeit in ein Buch stecken und findet trotzdem keinen geigneten Leserkreis. Dieses Problem möchte ich nachfolgend an drei Beispielen illustrieren.

Sipke Ernst & Geert van der Stricht: Tactics in the Chess Opening, part 6 – Gambits and Flank Openings

Bestimmte Eröffnungen bringen naturgemäß auch ihre eigenen taktischen Möglichkeiten hervor. Sich damit ausführlich zu beschäftigen, ist durchaus kein schlechter Weg, mehr von einer Eröffnung zu verstehen. Vielleicht war dies einmal das ursprüngliche Konzept, welches der New In Chess Reihe Tactics in the Chess Opening zugrundelag. Mit dem hier zu besprechenden 6. Band der Reihe ist der Bogen aber endgültig überspannt worden.

Ich möchte gar nicht erst detailiert auf die Unterteilung der neun Buchkapitel eingehen – es sei nur soviel gesagt: Holländisch, Englisch, Reti, Nimzowitsch, Basman, Blackmar-Diemer, Tschigorin, Albins Gegengambit, Budapester Gambit, Englund Gambit, Bird, van Geet und Sokolsky haben keinen gemeinsamen Nenner. Was hierbei herausgekommen ist, stellt nur noch eine lose Sammlung von Partien dar, in denen irgendwann irgendein beliebiger taktischer Schlag vorkommt. Es ist keinerlei Signifikanz der taktischen Motive in Bezug auf die gespielte Eröffnung erkennbar. Damit drängt sich mir einfach die Frage auf, wozu das Buch gut ist? Zu meinem Bedauern wurden die Partien auch noch mit spärlichen Kommentaren versehen, sodass ich annehmen muss, dass die Autoren eine gewisse Arbeit in das Projekt gesteckt haben. Das täte mir wirklich Leid, denn das Endprodukt erscheint mir infolge einer mißverstandenen und völlig ausgeuferten Konzeption absolut überflüssig.

Steve Giddins: 50 Ways to Win at Chess,

Das Vorgängerwerk, in dem ebenfalls 50 Meisterpartien kommentiert wurden, habe ich hier schon besprochen und gelobt. Nun hat Giddins noch einmal in gleicher Weise nachgelegt. Hier ist von Wahllosigkeit und mangelnder Struktur keine Spur zu entdecken. Erneut hat Giddins eine ganz hervorragende Partieauswahl getroffen, die dem Leser erstklassige Einblicke in das strategische Verständnis von Großmeistern vermittelt. Und es sind nicht bloß die ollen Kamellen, die wir schon hundertfach in Strategiebüchern angetroffen haben – wer erinnert sich schon noch an die großen Endspielsiege von Ribli und Uhlmann über Karpow und Gligoric? Ein bißchen Struktur hat Giddins der Partiesammlung wieder durch die Einteilung in thematische Kapitel verliehen, aber für meine Begriffe ist das überflüssig. Immerhin hat er nunmehr alle königsindischen Bauernstrukturen mit einer Partie illustriert, sodass man durchaus ein fortschreitendes, übergeordnetes Konzept erkennen kann. Aber der wesentliche Punkt bleibt einfach, dass er dem Leser ein wundervolles Lesebuch an die Hand gibt, in dem nicht die Analyse, sondern die begleitende Erkärung im Vordergrund steht.

Fazit: Ein Buch, das sich weniger an den Wettkämpfer, als an den Liebhaber wendet – sehr gut gelungen!

Zenon Franco: The Modern Benoni

Das Konzept der Chess Explained-Reihe, in der bestimmte Eröffnungen anhand von 25 Partien illustriert werden, gefällt mir sehr gut. Man gewinnt so einen bequemen Einstieg in die Thematik und ist gleich mit den wichtigsten Informationen versorgt, wobei insbesondere die Frage: Was ist Wie wichtig? meist erschöpfend beantwortet wird.

Aber nicht jede Eröffnung ist für diese Herangehensweise geeignet und nicht alle Autoren lösen ihre Aufgabe mit gleicher Bravour. Modernes Benoni ist m.E. eine sehr gute Wahl für diese Reihe. Strategische Themen, wie etwa das Spiel auf den schwarzen Feldern, und auch taktische Motive wiederholen sich hier in sehr vielen Partien. Es kommt dabei natürlich auf eine gute Partieauswahl an, um die Signifikanz auch zu vermitteln. Dies hat Zenon Franco recht gut gelöst, ohne dabei an Aktualität oder Qualität der Partien einzubüßen. Vielleicht hätte ich mir an manchen Stellen etwas mehr Begleitkommentar und weniger Analyse gewünscht, aber insgesamt vermitteln die Partien doch einen guten Überblick. Aus theoretischen Dskussionen, wie beispielsweise wann man Lg7 zugunsten von a6 hinausschieben sollte, hält sich Franco weitestgehend heraus, verweist aber durchaus auf die Problematik und den Stand der Dinge. Hier ist der Leser natürlich zum selbständigen Weiterarbeiten aufgefordert.
Seine Hauptaufgabe, nämlich die Vermittlung der wesentlichen Themen im Modernen Benoni, löst der Autor durchweg gut, und so kann ich das Buch allen Einsteigewilligen absolut empfehlen.