KOLUMNE

Die Karl-Kolumne ergänzt die Printausgabe des Karl. Die Kolumne präsentiert Rezensionen aktueller und alter Schachbücher, Betrachtungen über die Literatur, Kultur und Psychologie des Schachs und gelegentliche Kommentare zum aktuellen Schachgeschehen.

 

POKER FÜR ANFÄNGER

von FM Jochen Wege

Conrad Schormann,
T.H.E. Book. Texas Hold’em Poker für Gewinner!
Starthände – Strategien – Statistiken.
Vom ersten Blatt bis zur computergestützten Spielanalyse. 2007, 196 S,
19,80 Euro

(Das Belegexemplar wurde  freundlicherweise von der Firma Niggemann zur Verfügung gestellt.)

Auch wenn man kein regelmäßiger Zuschauern des Deutschen Sportfernsehens (DSF) ist, wird einem wohl kaum entgangen sein, dass Poker in den letzten Jahren einen enormen Zulauf erhalten hat. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Die Regeln sind simpel, ein einzelnes Spiel geht schnell und im Internet kann um so ziemlich jeden Einsatz – auch um Spielgeld – gespielt werden.

Was hat das mit Schach zu tun? Nun, einige deutsche Spitzenspieler haben Poker als Einkommensquelle entdeckt und dem Schach teilweise oder ganz den Rücken gekehrt. Prominentes Beispiel ist Matthias Wahls, der nicht nur erfolgreich spielt, sondern auch im Internet eine Pokerschule aufgemacht hat (www.PokerStrategy.de).

Warum ist Poker für Schachspieler sowohl interessant als auch lukrativ?

Interessant deswegen, weil es sich beim Poker wie beim Schach um ein Strategiespiel handelt. Im Gegensatz zu Schach gibt es hier nur einen Glücksfaktor – die Karten. Lukrativ deswegen, weil die typischen Fähigkeiten guter Schachspieler auch im Poker dienstlich sind: strategisches Denken und Disziplin.

Der Deutsche Schachbund teilt diese Einschätzung nicht. Als Replik zu Inseraten für Poker, die Wahls und Dautov in der Schachpresse geschaltet haben, hat der Deutsche Schachbund eine ausführliche Erklärung herausgebracht. Hierin wird proklamiert, dass Poker immer ein reines Glücksspiel ist, egal ob kurzfristig oder langfristig. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass Poker zur krankhaften Spielsucht führen kann.

Für mich bleibt unklar, was der Deutsche Schachbund mit dieser Erklärung bezweckt. Gute Pokerspieler, die dauerhaft gewinnen, widerlegen aufs Einfachste, dass Poker auch langfristig ein Glücksspiel ist. Und interessierten Schachspielern wird die Warnung vor Spielsucht wohl auch nicht abschrecken, auf der Seite von Wahls vorbeizuschauen.

Genug der Vorrede, zum Buch.

Der Autor:
Der 1971 geborene Conrad Schormann arbeitet für die Westfälische Presse in Bielefeld. Im Vorwort beschreibt er, wie er zu Anfang des Pokerbooms 50 Dollar investierte, die bald verspielt waren. Bevor er weitere 50 Dollar ausgab, las er, angeregt durch ein Interview mit Matthias Wahls, ein Buch über Texas Hold’Em – und seitdem fließt das Geld in seine Richtung. Sein Entschluss, ein Buch zu schreiben, kam dadurch zustande, dass auf dem deutschsprachigen Markt so gut wie keine Pokerliteratur erhältlich ist. Seine Punlikation richtet sich an Anfänger – ein Zitat vom Autor: „Dies ist das Buch, das ich mir gewünscht hätte, bevor ich meine zweite 50-Dollar-Investition tätigte“.
Schormann versucht, so viele Fachbegriffe wie möglich ins Deutsche zu übertragen. So schreibt er beispielsweise nicht vom „checken“, sondern vom „schieben“. Prinzipiell finde ich dieses Vorgehen sehr sympathisch, bloß beim Pokern… nun ja. Die englischen Begriffe haben sich nun mal durchgesetzt. Ein Neuling, der die deutschen Begriffe nie gehört hat, könnte hier verwirrt werden.

Der Inhalt:
Zunächst werden ausführlich die Regeln und Grundlagen des Spiels erklärt. Anschließend begleitet der Leser den fiktiven Protagonisten des Buches, „Hero“ enannt, durch diverse Spiele. Der Autor kommentiert während der Spielverläufe ausführlich die Gedanken, die sich Hero bei seinen Aktionen macht. Die Gegner tragen immer die selben Namen: „Sklansky“ (ein guter, gefährlicher Spieler); „Fisch“ (ein schlechter, passiver Spieler, von ihm soll das Geld kommen); „Frau Fels“ (eine sehr solide Spielerin) und „Mr Pink“ (er setzt aggressiv mit so ziemlich jedem Blatt). In der Pokersprache sind diese Spielertypen als TAGs (Tight-Aggressive), Calling Stations, Rocks und Maniacs bekannt.
Leider wird beim Showdown nur das Blatt des Gewinners gezeigt. Insofern lässt sich nicht überprüfen, ob die vorherigen Überlegungen richtig gewesen sind (wenn Gegner auf bestimmte Hände gesetzt werden). Allerdings ist die Situation im realen Poker nicht anders…

Das vom Autor gewählte Verfahren ist ein wenig gewöhnungsbedürftig. Der Ansatz, bestimmte Motive (z.B. Continuation Bet, Donkbet, Ausrechnen von Outs) vorzustellen und dann dazu ausgewählte Beispiele zu bringen, gefällt meiner Ansicht nach besser. Im Buch werden die Motive sozusagen nebenbei während der Spiele erläutert – was nicht unbedingt zur Übersichtlichkeit beiträgt.

Die meisten der Spiele sind „Limit“ (der Einsatz pro Wettrunde für das Setzen bzw. Erhöhen ist festgelegt, z.B. 10$ in den ersten beiden Wettrunden, 20$ in den letzten beiden), allerdings streut der Autor einige Spiele No-Limit (jeder bekommt anfangs eine festgelegte Anzahl Chips, zu jedem Zeitpunkt kann beliebig viel gesetzt werden) ein. Darauf hätte verzichtet werden können, die Strategien der beiden Varianten sind doch recht unterschiedlich.

Der letzte Teil des Buches behandelt die computergestützte Spielanalyse. Im Internet gibt es die Möglichkeit, mit Programmen sowohl sein eigenes Spiel als auch das der Gegner analysieren zu lassen (um so die „Fische“ herauszufiltern). Die entsprechenden Werte (wie oft sieht der Spieler den Flop, wie oft den Showdown, wie aggressiv spielt er etc.) werden ausführlich erläutert. Die zugehörigen Bildschirmabdrucke sind allerdings eine Katastrophe. Da man ohnehin eine Lupe benötigt, um darin die Zahlen erkennen zu können, hätte man sie genauso gut weglassen können.

Zudem gibt es drei ausführliche Interviews: Matthias Körner äußert sich über Poker im Fernsehen, Matthias Wahls und Dominik Schormann sprechen über Poker allgemein und Werner Horstmann erklärt, was ein professioneller Dealer im Casino können muss. Von letzterem kommt ein, wie ich finde, schönes Zitat: „Wenn du am Tisch keinen Dummen entdecken kannst, bist du es höchstwahrscheinlich selbst“.

T.H.E. Book richtet sich eindeutig an den Praktiker. Auf aufwändiges theoretisches Rüstzeug wird verzichtet, die Nachricht des Buches lautet: wie findet man schwache Spieler und gewinnt Geld von ihnen.

FAZIT

Das Buch behandelt viele typische Spielsituationen und ist daher für einen Einsteiger, der ohne großen Lernaufwand erfolgreich spielen will, gut geeignet. Allerdings: zumindest ich würde mich etwas unwohl fühlen, nur aufgrund dieser Lektüre viel Geld in Poker zu investieren. Wer tiefer in die Materie einsteigen möchte (und der englischen Sprache mächtig ist), sollte (zusätzlich) auf jeden Fall zu einem Buch von Sklansky greifen.