KOLUMNE
Die Karl-Kolumne ergänzt die Printausgabe des Karl. Die Kolumne präsentiert Rezensionen aktueller und alter Schachbücher, Betrachtungen über die Literatur, Kultur und Psychologie des Schachs und gelegentliche Kommentare zum aktuellen Schachgeschehen.
LEHRREICHES SCHACH VON DEUTSCHLANDS LANGJÄHRIGER NR. 2
Von IM Erik Zude
Wolfgang Uhlmann,
Meine besten Partien,
Weltklasseschach,
DVD, Chessbase 2012,
Laufzeit: 7 St. 38 min,
29,90 EUR
Das Belegexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Chessbase zur Verfügung gestellt.
Großmeister Wolfgang Uhlmann war in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts unbestritten der stärkste Spieler der DDR und, nach Dr. Robert Hübner, der zweitbeste Deutsche. Er hat zu seinen besten Zeiten gegen alle Top-GMs gespielt und u.a. auch fünf Siege gegen Weltmeister erzielt.
In der Reihe „Weltklasseschach“ hat Chessbase nun eine DVD veröffentlicht, in der Wolfgang Uhlmann mit der Unterstützung von Ko-Kommentator Dr. Karsten Müller seine zwanzig besten Partien vorstellt. Ergänzend erzählt Uhlmann einige kurze Anekdoten aus seiner Schachkarriere.
Um die komplette Datenbank auf dem Rechner zu installieren werden 1,82 Gigabyte Plattenplatz benötigt. Die Videos können aber auch bequem direkt von der DVD angesehen werden.
Zusätzlich enthält die DVD eine Datenbank mit allen Partien von Wolfgang Uhlmann, insgesamt über 3400, davon ca. 150 kommentiert aus der Megabase.
Karsten Müller hat alle in den Videos vorgestellten Partien mit Fritz 13 analysiert. Offenbar ist Uhlmann, der seine Partien sicherlich hauptsächlich „von Hand“ untersuchte, gelegentlich eine Computer-Pointe entgangen. Es ist aber bemerkenswert, wie oft er auch ohne maschinelle Hilfe zu den wesentlichen Elementen einer Stellung vordringt, wenn der Computer längere Zeit im Dunkeln tappt. Ähnliches sieht man auch bei den Analysen anderer großer Spieler der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts, Botwinnik, Smyslow, Keres, Hübner, Timman und anderen. Für die heutige Jugend kann das ein Ansporn sein, im Training verstärkt die selbständige Analyse am Brett zu üben. Menschliche Stellungsbewertungen und Spielideen können es, wenn man entsprechend Zeit und Engagement investiert, durchaus mit Computeranalysen aufnehmen.
Beachtenswert sind hier auch einige Positionen, in denen großmeisterliches Schachverständnis auch den heutigen Computeranalysen überlegen ist. So hat Wolfgang Uhlmann mit Schwarz spielend in seiner Königsindisch-Partie mit Jonathan Speelman 1984 mutig auf f4 einen Springer geopfert. Karsten Müllers Computeranalysen versprechen danach zunächst Weiß Vorteil, er traut dem aber nicht und vermutet, dass das Stellungsgefühl Uhlmanns hier aussagekräftiger ist.
Diese Gegenüberstellung der Spiel- und Denkweise des Top-Spielers der 60er und 70er Jahre mit den Vorschlägen heutiger Engines, bei der Uhlmann sehr gut abschneidet, macht einen besonderen Reiz dieser DVD aus.
Die Präsentation ist recht unterhaltsam, beide Vortragenden stehen in angeregtem Austausch miteinander, diskutieren unterschiedliche Sichtweisen und Gedanken, wobei die oft angriffslustige Sichtweise von Wolfgang Uhlmann sehr schön ergänzt wird von Karsten Müllers eher nüchternen Betrachtung, der zufolge z.B. hin und wieder auch ein weniger forcierter Zug möglich war. Gelegentlich suchen die Großmeister allerdings auf ihren ausgedruckten Unterlagen nach der Partiefortsetzung, hier wäre der Vortrag mittels der vorher präparierten Chessbase-Datei flüssiger gewesen. Die Kommentare werden stets mit klaren Erläuterungen der wichtigsten Stellungsmerkmale begleitet, was für alle Turnierspieler lehrreich ist.
Ansteckend ist der Enthusiasmus, mit dem Uhlmann sich immer wieder über die vielfältigen Möglichkeiten der interessanten Stellungen freut, sowie seine Begeisterung für Schönheit im Schach, die er hauptsächlich in kombinatorischen Möglichkeiten, des Öfteren aber auch in einem überraschendem strategischen Manöver sieht. Uhlmann vermittelt viel Freude und Genuss am Schach.
Uhlmann hatte sicherlich Schwierigkeiten, aus seinen zahlreichen sehr guten Partien die besten zwanzig auszuwählen. An den Siegen gegen die Weltmeister Botwinnik, Smyslow, Fischer, Khalifman und Anand kommt man natürlich nicht vorbei. Die übrigen spiegeln dann sehr gut seine Spielauffassung wider, energisches Spiel auf Angriff, allerdings auf einer sehr gesunden positionellen Grundlage und auch gespickt mit strategischen Feinheiten. Uhlmanns Attacken basieren auf vorher errungenen Stelungsvorteilen bzw. einem festen Zentrum. Natürlich kommen in der Partieauswahl auch seine Eröffnungsvorlieben zum Ausdruck. Französisch (acht Partien) und Königsindisch (vier) sind prominent vertreten.
Die Videos enthalten viele praktische Tipps, die aufgrund von Uhlmanns betont kämpferischer und kompromissloser Spielauffassung sehr hilfreich sind. Unter anderem macht er häufig klar, dass das Spiel im Turniersaal mit allen psychologisch begründeten Entscheidungen und kleineren und größeren Ungenauigkeiten etwas ganz anderes ist als die graue Theorie der Analyse, und geht dabei auch auf die typisch menschlichen Denkfehler ein, z.B. das zu starre Festhalten an einer einmal ins Auge gefassten Spielidee, wenn er sich „in einen Zug verliebt hat“.
FAZIT
Die besten Partien Wolfgang Uhlmanns sind für Turnierspieler jeden Niveaus interessant und lehrreich.
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Partienliste:
Fischer – Uhlmann, Buenos Aires 1960
Uhlmann – Botvinnik, Olympiade Varna 1962
Uhlmann – Smyslov, Hastings 1972
Uhlmann – Anand, Amsterdam 1990
Uhlmann – Khalifmann, Bundesliga 1992/93
Geller – Uhlmann, Amsterdam 1970
Speelman – Uhlmann, Leningrad 1984
Farago – Uhlmann, Leipzig 1975
Uhlmann – Ujtumen, Interzonal Mallorca 1970
Unzicker – Uhlmann, Olympiade Varna 1962
Kostro – Uhlmann, Polen – DDR 1974
Padevsky – Uhlmann, Amsterdam 1972
Uhlmann – Schmidt, Polanica Zdroj 1967
Savon – Uhlmann, Skopje/Ohrid 1968
Radulov – Uhlmann, Albena 1983
Prandstetter – Uhlmann, Decin 1977
Uhlmann – Osmanovic, Decin 1979
Uhlmann – Larsen, Hastings 1972
Uhlmann – Schoene, Deutschland 1991
Hamann – Uhlmann, Halle zt 1963
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