KOLUMNE
Die Karl-Kolumne ergänzt die Printausgabe des Karl. Die Kolumne präsentiert Rezensionen aktueller und alter Schachbücher, Betrachtungen über die Literatur, Kultur und Psychologie des Schachs und gelegentliche Kommentare zum aktuellen Schachgeschehen.
VON KEMPELENS SCHACHAUTOMAT:
EIN NACHBAU DES SCHACHTÜRKEN IN PADERBORN
Von Ralf Bülow
Bild: Michael Negele
Seit dem 26. März 2004, dem 200. Todestag des Wolfgang von Kempelen, ist im Paderborner Heinz Nixdorf MuseumsForum (HNF) ein originalgetreuer Nachbau seines Schachtürken zu bewundern, dessen Auftritte von 1770 bis 1838 Beobachter zur Annahme einer künstlichen Intelligenz verleiteten. Bei der Präsentation des neuen Exponats verkörperte der Schauspieler Heiko Grosche den historisch belegten „Herrn Anthon“, von Kempelens Diener. Die Festrede hielt Ernst Strouhal von der Universität für angewandte Kunst in Wien: KARL-Lesern dürfte sein Aufsatz zum Thema aus Heft 4/2002 in Erinnerung sein.
Bild: Michael Negele
Die Geschichte des Automaten, der 1769/70 in Preßburg entstand, wollen wir an dieser Stelle nicht wiederholen, sondern nur festhalten, dass die Funktionsweise des Automaten 1857, drei Jahre nachdem er in Philadelphia einem Brand zum Opfer fiel, im New Yorker Chess Monthly enthüllt wurde. Nachzulesen ist dieses und andere Details der Geschichte des mechanischen Wunderwerks in Tom Standages Buch, Der Türke (Frankfurt 2002). Die im HNF ausgestellte Apparatur folgt diesem Werk und anderen zeitgenössischen Schriften, wobei Kurator Stefan Stein die wissenschaftlichen Recherchen und Restaurator Bernhard Fromme die Konstruktion der „Hardware“ übernahm, deren Gesamthöhe etwa 1,80 m beträgt. Der Nussbaum-Schachtisch mit den Maßen 95 x 150 x 90 cm kam von der Paderborner Firma Wippermann, Annette Seidel-Rohlf von den Westfälischen Kammerspielen modellierte den Kopf des Spielers. Insgesamt erstreckten sich die Arbeiten über anderthalb Jahre.
Bild: Michael Negele
Der Paderborner Schachtürke ist nicht der erste Nachfahre des Kempelenschen Originals. Selbst als der Türke noch aktiv war, erschien 1827 in New York ein „American Chess Player“, später folgten Ajeeb und Psycho. Letzterer verstand sich weniger auf Schach als auf das Whist-Spiel, ist aber der einzige Trickautomat des 19. Jahrhunderts, der bis heute überlebt hat – er steht im Museum of London. Von den Werken Wolfgang von Kempelens hat sich im Deutschen Museum die Sprechmaschine erhalten, eine Pionierleistung der mechanischen Sprachsynthese. Die erste detailgetreue Kopie des Türken fertigte übrigens 1989 der amerikanische Requisitenbauer John Gaughan.
Berichte über Aspekte des Computerschachs liefert der Computer-KARL.