DER KAMPF MUSS WEITERGEHEN!

Viktor Kortschnois „Meine besten Kämpfe“

Von Karsten Müller

Kortschnoi Meine besten Kämpfe Bd 1 Cover

Viktor Kortschnoi,
Meine besten Kämpfe,
Band 1: Partien mit Weiß,
Edition Olms 2001,
208 S.,
49,80 DM

Die Weltmeisterschaft konnte Viktor Kortschnoi im Verlauf seiner langen und beeindruckenden Karriere zwar nicht gewinnen, doch seine unerschöpfliche Liebe zum Schach und sein enormer Kampfgeist haben ihn zu einem der Superstars des Spiels gemacht. Selbst heute gehört er mit 70 Jahren immer noch zu den besten 50 Spielern der Welt, was in den meisten anderen Sportarten völlig undenkbar wäre. So kommt es auch, dass er überhaupt keine Probleme hat, 50 vorzeigbare Siege mit Weiß zu finden. Schwierigkeiten hatte er höchstens, aus den vielen möglichen Partien die besten auszuwählen.

Kortschnoi hat sich bei der Auswahl davon leiten lassen, dass möglichst alle Generationen seiner Gegner vertreten sind. Zudem kommt aus fast jedem Jahr von 1951 bis 1999 eine Partie vor, unter anderem Siege gegen die Weltmeister Botwinnik, Tal, Petrosjan, Spasski und natürlich gegen seinen Erzrivalen Anatoli Karpow, gegen Hübner, Schirow und schließlich gegen die junge Garde, vertreten durch Bacrot und Ponomarjow. Kenner werden in Kortschnois Partienauswahl sicher einige seiner großen Siege vermissen, etwa seinen legendären Gewinn gegen Karpow in der 31.Partie der WM 1978.

Kortschnoi nimmt bei seinen Anmerkungen wie gewohnt kein Blatt vor den Mund und geht mit einigen Gegnern hart ins Gericht – allerdings auch mit sich selbst. Seine kritischen Analysen sind eine gute Mischung aus sprachlichen Kommentaren und Varianten. Nebenbei macht er immer wieder Bemerkungen über sein Leben, das durch die Emigration aus der Sowjetunion 1976 zweigeteilt ist. Doch im Mittelpunkt des Buches steht sein Schach. Sein kompromissloser Stil kommt gut zur Geltung. Mit den Kommentaren sind viele interessante Einblicke in seine Denkweise verbunden. Hier ist ein schönes Beispiel:

KORTSCHNOI – TAL
30.UDSSR-CH, JEREWAN 1962

Es sieht so aus, als hätte Tal eine feste Blockade errichtet. Doch Kortschnoi findet einen Weg durchzubrechen:

48.Tc4!! a4 49.Tc7 a3 50.Txd7!! Dxd7 51.e6 Da7

(51…Db5+ ist zäher, verliert aber auch, wie Kortschnoi nachweist: 52.Kh4 g5 53.Kh5 De8 54.Kxg5 Dg6+ 55.Dxg6+ hxg6 56.d7 axb2 57.e7 Tb5 58.Kh4 b1D 59.e8D Kh7 60.De7+ Kxh6 61.g5 Txg5 62.Dxg5 Kh7 63.De7 Kh6 64.De3 und Weiß gewinnt)

52.De5 axb2 53.e7 Kf7 54.d7 1-0

KORTSCHNOI – PONOMARJOW
CANNES 1998

45…Se4??

„Immer vorwärts, lautet die Devise. Damit liegt der kämpferische Jüngling hier jedoch völlig daneben“ stellt Kortschnoi in dem ihm eigenen Stil fest und gibt statt dessen den viel stärkeren Springerrückzug 45…Se8! mit der Folge 46.Sec3 Sc7 47.Sxc7 Txc7 48.Sxd5 Tcxa7 49.Tc6 Ta2 50.Tb1 Ta1 51.Txa1 Txa1 52.Tc7 b2 53.Txe7 Kf8 54.Tb7 b1D 55.Txb1 Txb1-+ an.

46.Tb1 Lb4?

Ponomarjow bleibt konsequent, doch er beschleunigt lediglich den eigenen Untergang. 46…Ke8, was Kortschnoi nicht anführt, war zäher.

47.Tb6 Kg8 48.Tb7 Sd6 49.Sxd6 Lxd6 50.Sc3 Tc7

50…Lc7 51.Sxd5 Ld8 52.Ta1 gefolgt vom Königsmarsch nach c3+-

51.Tb8 Tc8 52.Txc8 Txc8 53.Sxd5 Ta8 54.Sb6 1-0

Mögen noch viele solche Kämpfe folgen!