EINE RIESIGE EHRE

Matthias Blübaum hat sich im September beim Grand Swiss in Samarkand mit seinem zweiten Platz sensationell für das Ende März beginnende Kandidatenturnier qualifiziert. Im Gespräch mit HARRY SCHAACK erklärt er, wie weit er mit der Vorbereitung für die größte Herausforderung seines Lebens ist und mit welcher Einstellung er als Underdog ins Turnier geht.

(Das Interview ist auszugsweise wiedergegeben.
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Matthias Blübaum
Matthias Blübaum bei der Bundesligaendrunde in Deggendorf 2025 (Foto: © Harry Schaack)

[…] KARL: Weil der World Cup noch läuft, stehen zwar noch nicht alle Teilnehmer fest, aber Deine Vorbereitung für das Kandidatenturnier hat bereits begonnen. Hast Du schon alle Leute für Dein Team akquiriert?
MATTHIAS BLÜBAUM: Noch nicht ganz. Ich habe schon einige Leute gefragt und bin jetzt in der Phase, das Team endgültig zusammenzustellen. Ich habe jedoch das Problem, dass ich nicht genau weiß, mit welchem Budget ich planen kann. Mir ist nicht klar, ob vom Bundes­ministerium des Inneren, das auch für den Leistungssport zu­ständig ist, noch irgendwelche Mittel kommen. Das erschwert die Aufgabe, Leute zu verpflichten, weil ich ihnen keine klaren An­gebote machen kann. Aber ich denke, ich habe mittlerweile ein sehr vernünftiges Budget, mit dem ich all das realisieren kann, was ich mir vorgestellt habe.

Wie muss man sich so ein Team vor­stellen? Sind das einzelne Spieler, mit denen Du unabhängig vonein­ander an Strategien gegen spezielle Gegner arbeitest? Oder ist das eine Gruppe, mit der Du gemeinsam Dein Vorgehen besprichst?
Wir werden schon als Gruppe zusammenarbeiten. Ich bin natürlich nicht sehr erfahren in solchen Sachen. Aber es ist schon logisch, dass man gemeinsam überlegt, welche Eröffnungen sinnvoll sind. Dazu werde ich dann natürlich Trainingspartien spielen. Während des Turniers müssen die Leute dann irgendwelche Ideen bereithalten, falls die Eröffnung, die ich gespielt habe, nicht gut läuft. Da muss ich im Bedarfsfall auch bereit sein, zu switchen.

Beim Kandidatenturnier gibt es nur einen Sieger und sieben Verlierer. Wie sieht Deine Strategie aus? Wie gehst Du als Außenseiter in das Turnier? Abwartend, aggressiv oder „All-In“?
Es ist mir natürlich bewusst, dass ich absoluter Außenseiter bin. Auf der anderen Seite gibt es eben nur einen Platz, der das Ziel sein kann. In diesem Turnier will jeder Erster werden. Aber auf der anderen Seite muss ich mir auch nicht zu viel Druck machen. Ich muss nicht jede Partie völlig wahnsinnig und aggressiv an­legen. Die anderen Teilnehmer wollen auch gewinnen und sie werden vor allem gegen mich als nominell Schwächsten im Feld ein höheres Risiko eingehen.
Aber man muss sehen, wie sich das Turnier entwickelt. Es ist eine Sache, sich vorher einen Plan zurechtzulegen. Aber in der Praxis fühlt sich das vielleicht schon wieder ganz anders an. Man muss auch flexibel sein und während des Turniers seine Strategie anpassen.

Man könnte Deine Außenseiterrolle auch positiv sehen. Du hast ja beim Grand Swiss gegen die Spitzenleute schon eine erfolg­reiche Strategie gefahren. Die wollen gegen Dich gewinnen und das ist ja auch eine große Chance, weil sie dafür Risiken eingehen müssen und dann eben auch überziehen können, wie das bei Praggnanandhaa oder Erigaisi in Samarkand der Fall war.
Absolut! Und das sieht man auch immer mehr im modernen Schach. Alle Leute können gut spielen. Wenn man eine Partie gewinnen will, muss man Risiko nehmen. Man kann nicht einfach mal so locker eine Partie gewinnen. Ich sehe das ähnlich. Ich bin nicht in der Pflicht, selber Risiko zu nehmen.

Du arbeitest normalerweise alleine, hinsichtlich Training und Vorbereitung. Du hattest außer in Deiner Jugend noch nie einen festen Trainer.
Ja, als Jugendlicher hat mich erst mein Vater trainiert und dann Matthias Krallmann. Aber seither arbeite ich weitgehend alleine.

Jetzt musst Du mit einem Team zu­sammenarbeiten. Ist es schwierig für Dich, Aufgaben zu delegieren. Dabei gibt man ja auch Geheimnisse preis.
Große Eröffnungsgeheimnisse sind eine Sache aus der Ver­gangenheit. Inzwischen arbeitet jeder mit leistungsstarken Engines, jeder sieht sofort, was die guten Züge sind. Es wird immer schwieriger, überhaupt noch irgendwelche Geheimnisse zu haben. Heute ist es wichtiger, dass man bei der Vorbereitung die richtige Variante trifft, die dann auch aufs Brett kommt.
Delegieren ist schwierig. Ich werde jemanden im Team damit beauftragen, die Arbeitsaufteilung zu koordinieren. Es ist sicherlich ungewohnt. Aber wenn ich Nationalmannschaft spiele, bekomme ich ja auch Eröffnungsdateien zugeschickt. Das ist nicht völlig neu für mich.

Hast Du Dich beraten lassen, wie man die Zusammenarbeit im Team organisiert?
Ja, ich habe natürlich mit unserem Bundestrainer Jan Gustafsson darüber gesprochen, der schon als Sekundant für Carlsen und andere gearbeitet hat. Der hat natürlich mehr als genug Er­fahrung und er hat mir einige Tipps gegeben.

Du bist Mathematiker. Wie hoch bewertest Du Deine Chancen, das Kandidatenturnier zu gewinnen?
Ich glaube, es ist fast besser, gar nicht erst zu versuchen, die Chancen zu berechnen. Habe ich bisher auch nicht und brauche ich auch nicht. Mir ist natürlich bewusst, dass ich, wenn man nach den Elo-­Zahlen geht, die geringsten Chancen haben werde. Über den World Cup werden sich jetzt zwar auch nicht die Top-Favoriten qualifizieren, aber alle sind hinsichtlich der Elo-Zahl noch ein kleines Stück besser als ich.

Arbeitest Du auch mit einem Mentaltrainer zusammen, um Dich auf das Turnier vorzube­reiten?
Bisher noch nicht. Aber vielleicht mache ich in dieser Hinsicht noch etwas.

Welche Bedeutung hat die Fitness für ein solches Turnier. Bereitest Du Dich speziell vor?
Dazu habe ich mir auch noch keine konkreten Gedanken gemacht. Ich kann nur sagen, dass ich in der Vergangenheit nie Probleme mit dem Energielevel hatte. Es ist sehr, sehr selten, dass ich am Ende einer Partie erschöpft bin. Natürlich ist man in der siebten oder achten Stunde nicht mehr so fit wie am Anfang. Aber es stimmt, das Kandidaten­turnier ist mit 14 Runden länger als alle anderen Turniere. Da darf man die Kondition nicht unterschätzen.

Was kostet so eine Vorbereitung, was kostet so ein Team?
Hinsichtlich der Honorare habe ich mich ein bisschen auf Auskünfte von Jan Gustafsson verlassen. Auch mit dem DSB habe ich mich besprochen. Wir sind übereingekommen, dass man als Richtwert ab ungefähr 50.000 Euro hinkommt. Das ist schon eine Menge Geld. Auf der anderen Seite müssen die Helfer auch vernünftig bezahlt werden. Es ist eine der wichtigsten Schachver­anstaltungen. Man muss sich vor Augen führen, dass es ein größeres Trainingscamp geben wird, und dann müssen die Leute während des Turniers nonstop 20 Tage zur Verfügung stehen. […]

(Das Interview ist auszugsweise wiedergegeben.
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