EDITORIAL

LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER,

der König, der als Schah dem Spiel seinen Namen gab, ist zwar die zentrale Schach­figur, um die sich alles dreht, gleichzeitig aber eine der schwächsten. Und, wie unser Autor Björn Reich meint, aus historischer Sicht auch eine der uninteressantesten, denn sie hat die wenigsten Veränderungen erlebt. In Reichs Sichtung mittelalterlicher bis frühneuzeitlicher Literatur wird deutlich, dass das Schachspiel von jeher Abbild sozialer Verhältnisse war. Die geringe Bewegungsfähigkeit des Königs mag den im Mittelalter mächtiger gewordenen Städten willkommen gewesen sein. Nach allen Seiten sollte sich der König wenden können, um mit den Teilen der Gesellschaft, die die Schachfiguren re­präsentierten, Kontakt halten zu können. Aber er sollte sich auch nicht zu schnell nach vorne wagen, denn nur im eigenen Reich galt er als sicher. Trotz aller gesellschaftlichen Veränderungen ist der König bis heute der König geblieben.

Weil Schach das Spiel der Könige ist, gibt es viele wertvolle Bretter mit Figurensätzen, die auch am Hofe zu finden waren. Einige der schönsten kunsthandwerklich gestalteten Herrscher­porträts aus der Sammlung von Dr. Thomas Thomsen präsentieren wir auf S. 34.

Mihail Marin widmet sich in seinem Artikel den aktiven Königswanderungen im Mittel­spiel. Mitnichten ein romantisches Konzept aus dem 19. Jahrhundert, sondern ein strategisches Motiv, das zwar selten, aber auch heute noch auf Weltklasseniveau zu sehen ist. Marin zeigt in verblüffenden Beispielen, dass der Monarch gelegentlich durchaus sein Schicksal selbst in die Hände nehmen kann.

Das muss der König auch in den ausgewählten Studien, die Yochanan Afek vorstellt. Wie mächtig ein König sein kann, wird besonders deutlich, wenn er zuweilen ganz allein zwei gegnerische Figuren mitten auf dem Brett dominiert. Auch diesmal hat Großmeister Jan Timman den Karl-Lesern eine Studie gewidmet!

Natürlich muss sich der König nicht immer „krachend“ in Szene setzen. Bisweilen tut es auch ein ruhiger Zug, wie Erik Zude in seiner Untersuchung darlegt. Besonders effektiv sind stille Königszüge, wenn sie mitten im Angriffsgetöse gespielt werden. Kasparow demonstrierte dies in seinen Matches gegen Karpow par excellence.

Sören Bär stellt in unserem Porträt Yannick Pelletier vor. Aus der Schachmetropole Biel kommend, war er einst der erste in der Schweiz geborene Großmeister. Er erzählt, welch immensen Einfluss das Festival am Bielersee, bei dem er über die Jahre vom Zuschauer über Mitorganisator bis zum Spieler fast alle Positionen begleitete, für seine schachliche Laufbahn hatte. Einen seiner größten Erfolge erzielte er mit dem SV Werder Bremen, mit dem er in der Saison 2004/05 Deutscher Meister wurde. Mittlerweile widmet sich Pelletier dem Training und der Ausbildung und hat dafür letztes Jahr eine Schachakademie gegründet.

IN EIGENER SACHE: Aufgrund der stark gestiegener Druck- und Postpreise sehen wir uns bedauerlicherweise gezwungen, den Heftpreis anzuheben, um wieder ökonomisch arbeiten zu können. Ab nächstem Jahr wird eine Einzelausgabe 8 Euro kosten, ab 1. Januar 2023 ein Inlands-Abo 30 Euro und ein Abo im europäischen Ausland 38 Euro. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Harry Schaack