STILVOLL

Von Harry Schaack

ChessBase Fritztrainer DVD Bobby Fischer Cover

Fritztrainer Master Class, Vol. 1,
Bobby Fischer,
Chess­Base DVD,
Videospielzeit etwa 5 Stunden
(Deutsch und Englisch),
29,90 Euro

(Das Belegexemplar wurde  freundlicherweise von ChessBase zur Verfügung gestellt.)

Bobby Fischer und Magnus Carlsen haben einiges gemeinsam. Sie sind nicht nur beide Weltmeister geworden, sie haben auch Ähnlichkeiten hinsichtlich des unbedingten Siegeswillens und ihres Kampfschachs. Rechtzeitig zum Auftakt der WM zwischen Anand und Carlsen erinnert ChessBase mit einer DVD an den großen Vorgänger des frisch gekürten norwegischen Titelträgers. Der elfte Schachweltmeister macht den Anfang einer neuen Reihe, die demnächst mit Mihail Tal und Alexander Aljechin fortgesetzt werden soll.

Die Fischer-DVD umfasst 51 Videoclips bei einer Länge von etwa fünf Stunden. Mit neuem Konzept soll der Stil großer Spieler der Schachgeschichte aus wechselnden Perspektiven beleuchtet werden. Mehrere Experten präsentieren die Stärken in allen Partiephasen. GM Dorian Rogozenco stellt Fischers bevorzugte Eröffnungen vor, GM Mihail Marin widmet sich der strategischen Seite, IM Oliver Reeh zeigt die taktischen Fähigkeiten des Amerikaners und GM Karsten Müller widmet sich dem Endspiel. Zudem werden alle Partien Fischers samt Eröffnungsvariantenbaum mitgeliefert, viele davon analysiert.

Im ersten Kapitel zeigt Rogozenco, wie Fischer die Eröffnungsanalyse und -vorbereitung auf ein neues Niveau gebracht hat. Fischer hat sehr lange an seinen Eröffnungen festgehalten, auch wenn sie teilweise keinen guten Ruf hatten. Mit Weiß spielte er fast ausschließlich Hauptvarianten mit 1.e4. In seinen späteren Jahren trug Fischer nicht selten zur Popularisierung von Nebenvarianten bei, die wegen seiner Erfolge zu wichtigen Abspielen heranreiften, so z. B. die Naidorf-Variante mit frühem h3.

Fischer glaubte an seine Ideen und ließ sich nur schwer vom Gegenteil überzeugen. Das be­merkten die Sowjets, spielten deshalb oft gegen ihn Caro-Kann und erzielten ein sehr positives Resultat. Erst Anfang der Siebziger erweiterte Fischer sein Repertoire erheblich.

Mihail Marin widmet sich den strategischen Stärken Fischers. Er konstatiert ein gutes Gespür für Initiative und beschäftigt sich mit Fischers Lieblingsfigur: dem weißfeldrigen Läufer mit Weiß und dem schwarzfeldrigen mit Schwarz. Marin macht auch deutlich, dass die Auffassung, Spasski habe im WM-Match 1972 weit unter seinen Möglichkeiten gespielt, einseitig ist. Fischers streng positionelles Spiel
war auf Spasski zugeschnitten und provozierte dessen Fehler.

Oliver Reeh stellt sehr charmant Fischers schönste Kombinationen vor. Im Gegensatz zu den hundert mitgelieferten „Trainingsfragen“, in denen lediglich der Gewinnzug gefunden werden muss, beschäftigt sich der IM meist mit komplexen taktischen Positionen wie in der berühmten Partie, die Fischer als Dreizehnjähriger gegen Donald Byrne gewann. Reeh unterbricht die Partien mehrfach und fordert den Benutzer auf, die richtigen Züge zu finden, die direkt auf dem Bildschirmdiagramm eingegeben werden können.

Der Experte für die Schlussphase der Partie, Karsten Müller, stellt den Endspielvirtuosen Fischer vor, dessen Fähigkeiten oft mit denen Capablancas verglichen werden. Er zeigt neben komplexen zunächst einige grundlegende Endspiele, die in Fischers Praxis vorkamen. Und deshalb wird das Material auch zum Endspieltraining.

Müller zeigt auch das kontrovers diskutierte Endspiel zwischen Botwinnik und Fischer von der Olympiade 1962 in Varna, bei dem der Amerikaner einen Bauern, aber nicht das Turmendspiel gewann, weil die Sowjets eine rettende Remisidee fanden. Fischer wies danach in seinem 60 denkwürdigen Partien in ausführ­lichen Analysen einen Gewinn nach, doch Botwinnik zeigte anschließend, dass Bobbys Variante ein Loch hat. Später fand der 13-jährige Kasparow in Botwinniks Schachschule einen weiteren Remisweg. So arbeiteten sich an dieser Stellung gleich drei Weltmeister ab.

Und natürlich widmet sich Müller auch dem sogenannten Fischer-Endspiel mit der Konstellation Turm/Läufer gegen Turm/Springer. Gegen Taimanow hatte Fischer diese Konstellation gleich dreimal auf dem Brett – und gewann alle Partien sehr instruktiv.

Durch die interaktive Ausrichtung des präsentierten Materials, die den User beim taktischen und beim Endspiel-Teil oft zur Mitarbeit auffordert, hat die DVD über die Würdigung Fischers hinaus praktische Relevanz. Von der sprachlichen Präsentation her ist die englische Version besser gelungen.

Eingedenk des neuen Weltmeisters ist diese DVD auch eine gute Gelegenheit zum Stilvergleich zwischen Carlsen und Fischer.