DER UNGARISCHE GRANDSEGNIEUR
László Jakobetz‘ umfangreiche Biografie
„Chess Warrior, The Life and Games of Géza Maróczy“
Von Harry Schaack

Als wir in unserer letzten Karl-Ausgabe für den Maróczy-Artikel den führenden ungarischen Schachhistoriker László Jakobetz gewinnen konnten, waren wir sehr glücklich. Denn kurz nach unserem Budapest-Heft erschien seine englischsprachige Maróczy-Biographie unter dem etwas martialischen Titel Chess Warrior. Zwei Jahre lang hat Jakobetz daran gearbeitet und tausende von Schriftstücken, Dokumenten, Zeitungen, Artikel und Bücher gesichtet. Entstanden ist die bislang umfangreichste Monographie zu einem der größten ungarischen Schachspieler.
Géza Maróczy lebte im Goldenen Zeitalter des Schachs und wurde zum Grandseigneur der Magyaren. Bis heute ist sein Name wegen der nach ihm benannten Eröffnungsstruktur in der Schachwelt unvergessen – auch wenn Maróczy diesen Aufbau nie in einer Turnierpartie gespielt hat.
Jakobetz konnte viele Unklarheiten im Leben Maróczys klären. Seine Recherchen wiesen z.B. nach, dass Maróczy entgegen anderweitigen Quellen keinen Universitätsabschluss hatte.
Es war wohl ein gutes Omen, dass Maróczy auf dem berühmten Gruppenfoto von Hastings 1895 zu sehen ist, obwohl er gar nicht im Meisterturnier mitgespielt, sondern „nur“ das Amateurturnier gewonnen hatte. Doch ein Jahr später konnte er beim Weltklasseturnier in Nürnberg hinter Lasker, aber vor dem Hastingssieger Pillsbury sensationell den zweiten Platz belegen, was ihn schlagartig in die Weltelite katapultierte. In den 1900er Jahren folgten mehrere Turniersiege, die Maróczy zu einem Kandidaten für ein WM-Match gegen Lasker machten, das aber nie stattfand.
1908, mit 39 Jahren, zog sich Maróczy weitgehend vom Turnierschach zurück, auch wenn er noch Kolumnen schrieb und 1911 beim europäischen Turnierdebüt Capablancas in San Sebastian teilnahm. Erst nach dem Ersten Weltkrieg kehrte der mittlerweile 50-Jährige wieder in die Turnierarena zurück. Grund war der Machtwechsel in Ungarn, der Maróczy zur Emigration zwang. Deshalb wurde auch sein wichtigstes Werk Maróczy’s Hundert Schachpartien zunächst auf Deutsch veröffentlicht und erst später auf Ungarisch.
Schachlich konnte Maróczy trotz seines hohen Alters bald wieder „oben“ mitspielen. Im Weltklasseturnier in Karlsbad 1923 teilte er den ersten Platz mit Aljechin und Bogoljubow. 1927 führte Maróczy die Ungarn bei der ersten offiziellen Schacholympiade in London zum Sieg, 1930 bei der Olympiade in Hamburg zur Silbermedaille und 1936 – mit 66 Jahren – bei der inoffiziellen Olympiade in München noch einmal zum Gold. Es war sein letzter großer Erfolg. Er starb 1951 und wurde unter großer nationaler und internationaler Anteilnahme zu Grabe getragen.
Obwohl Maróczy weithin geachtet wurde, hatte er doch auch mit dem einen oder anderen Konkurrenten Streit, so mit Nimzowitsch, den er sogar zu einem Duell aufforderte. Bei andern war er als Mentor hochgeschätzt, wobei Jakobetz zeigt, dass sein Einfluss als Trainer von Vera Menchik und Max Euwe größer war als bislang angenommen.
Dieser reichbebilderte Band, der zahlreiche seltene zeitgenössische Fotografien enthält, ist zweifellos das neue Referenzwerk zu Maróczy.