EDITORIAL

LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER,

mit der vorliegenden Ausgabe schließen wir mit dem Turm unsere 2018 begonnene Schwerpunkserie ab, die sich den Schachfiguren gewidmet hat.

Ähnlich wie der Springer hat sich der Turm im Laufe der Entwicklung des Spiels in seiner Zugweise nicht verändert. Einzig die Rochade bereicherte im 16. Jahrhundert sein Bewegungsspektrum. Doch während sich die Funktion des Turms in vielen hundert Jahren als stabil erwiesen hat, ist seine Erscheinungsform von jeher sehr variabel gewesen, wie Björn Reich in seinem historischen Artikel darlegt. Die ersten uns bekannten Turmfiguren waren eine abstrakte Kombination aus einem Quadrat und Dreiecken, aus denen sich später Vogel, Roch, Streitwagen, Schiffe und – wie auf unserem Titelbild zu sehen – Kampfelefanten entwickelt haben. Doch jede Epoche brachte ihre eigene Adaption der Figuren, die oft in der Literatur ihren Ursprung findet. Bis zum zinnengeschmückten statischen Turm, der an mittelalterliche Burgen erinnert, war es ein langer Weg.

Studien sind ein wunderbares Instrument, die Möglichkeiten einer Schachfigur auszuloten. Yochanan Afek zeigt in seiner Auswahl einige der faszinierendsten Beispiele, die den etwas unbeholfenen Turm wendig erscheinen lassen. Wer bislang glaubte, Turmendspiele seien stets langweilige Technikaufgaben, wird hier eines Besseren belehrt. Besonders die georgischen Studienkomponisten, die zu den besten ihrer Zunft gehören, haben sich dieses Themas angenommen und viele ästhetische Kunstwerke geschaffen.

Mihail Marin widmet seinen Artikel den Türmen im Mittelspiel. Schon immer hat ihn begeistert, wenn in hochtaktischen Stellungen die konkreten Aspekte scheinbar vernachlässigt werden und der natürliche Entwicklungszug eines Turmes die gegnerische Stellung zum Einsturz bringt.

Den renommierten Endspielexperten Karsten Müller haben wir gebeten, für diese Karl-Ausgabe seine fünf Lieblingsturmendspiele zu präsentieren. Seine Auswahl berücksichtigt neben der Komplexität der Stellungen die historische Bedeutung der Partien. Jedes seiner Beispiele hat eine Geschichte, an einigen Endspielen hat er sich jahrelang abgearbeitet, bei anderen ist er bei Trainingssessions auf neue Stellungs­aspekte gestoßen, die ihn verblüfft haben. Immer aber hat er eine persönliche Verbindung zu seinen Favoriten.

Im Mai haben die Delegierten auf dem Kongress mit Ingrid Lauterbach eine neue Präsidentin des Deutschen Schachbundes gewählt. Sie ist die erste Frau, die dem Verband in seiner 146-jährigen Geschichte vorsteht. Sie hat den Posten zu einer Zeit übernommen, in der der DSB vor mannigfaltigen Problemen steht. Karl sprach mit der 63-Jährigen über die finanzielle Schieflage, personelle Befindlichkeiten und Ziele wie die Realisierung des Schachgipfels in den kommenden Jahren.

Harry Schaack