Harry Schaack Editorial 2

EDITORIAL

LIEBE KARL-LESER,

New York hat vielen Facetten – Schach ist eine davon. Schon früh übte die Stadt auf Schachspieler eine große Anziehung aus. Gleich drei Weltmeister – William Steinitz, Emanuel Lasker und José Raúl Capablanca – lebten und starben in dieser Stadt. Aber auch große Turniere, ruhmreiche Clubs und eine bis heute quirlige Schachszene machen New York zu einer der bedeutendsten Schach-Metropolen der Welt.

Selbst in den Museen hat das königliche Spiel Einzug gehalten. Im riesigen Metropolitan Museum of Art finden sich mehrere historische Schachspiele. Und in der amerikanischen Abteilung hängt The Chess Players von Thomas Eakins, das 1881 das erste Gemälde war, das das größte Kunstmuseum der USA als Geschenk eines noch lebenden Künstlers akzeptierte. Marcel Duchamp hat sich dagegen nicht nur durch seine schachlich inspirierten Werke, sondern als aktiver Spieler des Marshall Chess Clubs in die schachhistorischen Annalen der Stadt eingeschrieben.

New York war im 19. Jahrhundert eines der Zentren des Verlagswesens, weshalb viele frühe Schachzeitschriften dort vertrieben wurden. Sie haben den Boden für die schachliche Entwicklung bereitet, weshalb schon 1857 ein erstes großes Turnier stattfand. Michael Negele wirft in seinem Beitrag einen Blick auf die frühen Förderer des amerikanischen Schachs und den Starkult um Paul Morphy, der das Turnier gewinnen konnte.

Seit seiner Gründung 1877 trieb auch der Manhattan Chess Club, der zu den ältesten in den USA gehörte, die Schachkultur voran. Bill Wall zeigt in seiner Chronologie, wie das finanzielle Engagement der Mitglieder außerordentliche Veranstaltungen ermöglichte. Durch die Unterstützung des ersten Weltmeisterschaftsmatches hat der Verein einen maßgeblichen Anteil an der Etablierung des offiziellen WM-Titels. Doch aus diversen Gründen konnte sich der Verein nach 124 Jahren nicht mehr halten und löste sich 2002 auf. Einer der Gründe dafür war, dass es dem Club nie gelang, eine feste Bleibe zu finden. Wie man es besser macht, demonstrierte der nicht weniger ruhmreiche Marshall Chess Club. Anlässlich seines hundertsten Jubiläums stattete KARL dem Verein einen Besuch ab.

Als am 11. September 1995 im Südturm des World Trade Centers die WM zwischen Kasparow und Anand begann, ahnte niemand, dass auf den Tag genau sechs Jahre später ein terroristischer Anschlag das Gebäude zum Einsturz bringen wird. Wolfram Runkel, der damals für die ZEIT vom Match vor Ort berichtete, schildert noch einmal die Höhepunkte.

Schach findet in New York nicht – wie fast überall sonst – im Verborgenen statt. Es gehört zum Stadtbild und wird in vielen öffentlichen Gärten gespielt, vom legendären Washington Square Park bis zum Central Park. KARL gibt einen kleinen schachtouristischen Überblick.

Das KARL-Porträt widmet sich Andy Soltis. Der Kolumnist der New York Post ist einer der profiliertesten Schachautoren der Gegenwart, hat Dutzende hochklassige Bücher geschrieben, und zählte einst zu den größten Talenten seiner Generation. Der New Yorker spricht über Schachliteratur, seine Bekanntschaft mit Bobby Fischer, das Flea House und vieles mehr, was diese Metropole so einzigartig macht.

Harry Schaack