EDITORIAL
LIEBE LESER,
mit den neuen Medien hat sich das Schachtraining in den letzten 15-20 Jahren grundlegend verändert. Durch Computer und das Internet verbesserten sich die Möglichkeiten zur individuellen Weiterbildung enorm. Während früher wenige professionelle Experten wie z.B. Trainerstäbe in der UdSSR das Schachwissen verwalteten, hat sich der Zugang zu Informationen durch starke Schachprogramme, Datenbanken und das Internet demokratisiert. Es gibt zahlreiche Methoden, Konzepte und Kurse, die alle die Spielstärke steigern wollen – so viele, dass der Interessierte in der Angebotsflut unterzugehen droht. Deshalb macht KARL eine Bestandaufnahme und gibt einen Überblick.
Die ersten Anstrengungen zu einem systematischen Training unternahm die legendäre Sowjetische Schachschule. Movens für den flächendeckenden Ausbau von Schachförder-Einrichtungen im ganzen Land und eine damit verbundene Talentsichtung war der Klassenkampf. Schach eignete sich sehr gut, um die Überlegenheit des Kommunismus über den Kapitalismus zu demonstrieren. Gennadi Nesis, der selber Trainer in Leningrad war, berichtet über diese Erfolgsgeschichte der UdSSR. Neben einem historischen Rückblick gewährt er Einblick in seine eigene Arbeitsweise. Seine bekanntesten Schützlinge waren Gata Kamsky und der FIDE-Weltmeister von 1999, Alexander Chalifman.
Einer der erfolgreichsten russischen Trainer ist Mark Dworetski. Seine Arbeitsmethode ist hart – und nicht jedes Kind kommt damit zurecht. Johannes Fischer nähert sich dieser Legende über Josh Waitzkins autobiographisches Buch The Art of Learning, in dem das ehemalige amerikanische „Wunderkind“ seine eigenen Erfahrungen beschreibt.
Während in der UdSSR talentierte Nachwuchsspieler alle Annehmlichkeiten genossen, war die Situation vor dem Fall des Eisernen Vorhangs im Westen eine ganz andere. Die Spieler waren fast ausschließlich Autodidakten. Davon weiß Großmeister Gerald Hertneck ein Lied zu singen. In seinem Beitrag beschreibt er, welche Aspekte für die Entwicklung einer eigenen Schachkarriere wichtig sind.
Ist man gut genug, fördert auch der DSB. Die besten Spieler kommen in den Leistungskader. Wie dort genau gearbeitet wird, welche offiziellen Lernziele und -methoden es gibt, erzählen die drei hessischen Landeskadertrainer sowie Bundestrainer Uwe Bönsch.
Zur eigenen Weiterentwicklung gibt es viele Wege. Man kann sich etlicher guter Bücher und DVDs bedienen, man kann sich aber auch einen Trainer nehmen. Am leichtesten geht das im Internet. Macauley Peterson zeigt, wie der virtuelle Trainingsmarkt im Moment aussieht und welche Angebote es darüber hinaus im Kosmos des World Wide Web gibt.
Für diejenigen, die lieber den unmittelbaren persönlichen Kontakt bevorzugen, ist vielleicht eine Schachschule das Richtige. Davon gibt es in Deutschland einige. KARL stellt sie vor und zeigt, welche Arbeitsweise sie haben und worin sie sich unterscheiden.
Unser Fazit: Es gab noch nie so viele Möglichkeiten, sich schachlich – auf welchem Niveau auch immer – weiterzubilden. Was das Richtige für einen ist, muss jeder selbst entscheiden. Wir hoffen, mit diesem Heft eine Orientierung zu geben.
Harry Schaack