HERKULISCHES PROJEKT
Die Schacholympiade ist nicht nur eine der größten Schachveranstaltungen, sie hat auch eine lange Tradition. Offiziell nimmt sie ihren Beginn 1927 in London. Seither haben in über 80 Jahren mehrere Nationen den Hamilton Russell Cup in die Höhe gehalten, haben etliche Spieler Brettpreise gewonnen, gab es tausende von Partien und haben sich politisch, kulturell und zwischenmenschlich ungezählte Episoden und Anekdoten ereignet. Die FIDE kann – wenn überhaupt – nur in mäßigem Umfang ihre selbst ausgerichteten Events dokumentieren. Obwohl es zu vielen Olympiaden Turnierbücher gibt, sind viele statistische Werte unzureichend erfasst. Alleine der Abdruck aller Partien würde bei weitem jeden Rahmen sprengen.
Um diese Datenberge adäquat zu bewältigen, eignet sich das Internet deutlich besser. Wojtek Bartelski ist es zu verdanken, dass tatsächlich ein Großteil des statistischen Materials inklusive der meisten Partien aller (!) offiziellen und inoffiziellen Olympiaden gesichert ist. Mit seinem herkulischen Projekt www.olimpbase.org hat der Pole eine interaktive Plattform geschaffen, die heute die zuverlässigste Quelle zu Informationen rund um die Olympiade ist. Hunderte von Schachliebhabern aus aller Welt haben zum Aufbau der Seite und zur Bereinigung fehlerhafter Daten beigetragen. Die Webseite zeigt nicht nur Ergebnisse, sondern gibt auf fast alle Fragen Auskunft: Was war die kürzeste Partie? Wer hat die meisten Remisen gespielt? Wie war das Ergebnis der Weltmeister? Die Statistik lässt kaum etwas aus.
Jede Olympiade ist einzeln aufrufbar. Der Leser erhält Informationen über den Turnierverlauf, kann Einzelergebnisse der Teams und einzelne Partien direkt aus den zugehörigen Tabellen aufrufen und nachspielen. Zudem werden die Sieger der Brettpreise aufgeführt, Literaturlisten angegeben und manchmal Bildmaterial geliefert. Wie hat eine Nation insgesamt bei Teilnahmen an Olympiaden abgeschnitten oder wieviel mal hat ein Spieler mitgespielt? – Alle Daten sind miteinander vernetzt und per Mausklick sofort verfügbar. Unter „What’s missing“ ist gelistet, was noch fehlt. Das sind aus früheren Olympiaden meist Partien, manchmal ist der Name des Oberschiedsrichters unbekannt, manchmal der genaue Spielort.
Längst hat Bartelskis Hunger nach Statistiken auch andere Teamwettbewerbe erfasst: Welt-, Europa- und Asienmeisterschaften, Europacup für Vereine, alle Jugendteamwettbewerbe, UdSSR gegen den Rest der Welt, darüber hinaus Fernschacholympiaden und -weltmeisterschaften, Blinden- und Seniorenschach und vieles mehr hat er archiviert. Auf der OlympBase findet man schlicht alles zum Thema Mannschaftswettbewerb.
OlympBase wächst unaufhaltsam. Mittlerweile umfasst sie erstaunliche 220353 Seiten. Kaum zu glauben, dass dieses wunderbare Seite die immense Leistung eines Einzelnen ist. Mit dem Kopf hinter OlympBase hat KARL ein kurzes Interview geführt.
KARL: Wann haben Sie mit der Seite begonnen? Was waren ihre Beweggründe, solch eine gewaltige Arbeit in Angriff zu nehmen?
Wojtek Bartelski: Ich begann mit dem Sammeln von Material im September 2003. Die Website ging am 21. April 2004 online. Meine Sentimentalität für Team-Wettbewerbe hat mich dazu bewogen, denn sie bekamen nie dieselbe Aufmerksamkeit wie Einzelwettbewerbe.
Wie ist Ihre persönliche Beziehung zu Olympiaden?
Es sind fantastische Veranstaltungen mit einer einzigartigen Atmosphäre. Nachdem die ehemaligen Kandidaten-Turniere, die ich sehr verehrte, ein Ende fanden, sind die Olympiaden der einzig verbliebene ernsthafte Event, bei dem es nicht vorrangig um Geld geht. Ich bin mit den Änderungen für Dresden 2008 (weniger Spieler, weniger Runden, Match-Punkte, etc.) nicht glücklich, aber am meisten missfällt mir das Schweizer System, das zufällige Ergebnisse bringt.
Wie konnten Sie so viel Material sammeln? Besitzen Sie eine große Bibliothek?
Meine Schach-Bibliothek ist recht klein, ich besitze nur 50 oder 60 Bücher. OlympBase hätte sich nicht annähernd so entwickelt, wenn nicht hunderte Schachenthusiasten in der ganzen Welt freiwillig ihre Hilfe angeboten und mir unbekanntes Material geschickt hätten.
Erhielten Sie Unterstützung von der FIDE?
Nein.
Sie haben nun neben der Olympiade-Chronik auch zahlreiche andere Team-Wettbewerbe statistisch erfasst ….
Ja, weil ich den Bestand zu den Olympiaden weitgehend gesichert hatte. Natürlich fehlen noch einige Daten, wie man in „What’s missing“ nachlesen kann. Aber diese Informationen sind nicht leicht zu beschaffen und manche wohl für immer verloren. Nach dieser Arbeit wuchs meine Sammelleidenschaft noch und ich erweiterte meine Website auf alle Teamwettbewerbe, was eine Menge Arbeit ist.
Wieviel Zeit haben Sie in die Website investiert?
Zu viel, wenn Sie meine Frau fragen. (lacht) Es sind jedes Jahr Tausende von Stunden. Ich habe einen Beruf und eine Familie, aber vom Rest meiner Freizeit habe ich fast jede Minute in die Arbeit der OlympBase gesteckt.
Wieviele Besucher hat OlympBase?
Im Durchschnitt 200 pro Tag, während Olympiaden sind es über Tausend.
Wie lange brauchen Sie, um die Website während der Olympiade zu aktualisieren?
Ich denke, mit maximalem Einsatz kann ich tägliche Übersichten, aber keine detaillierten Resultate liefern. Erst kurz danach werden alle Daten mit der OlymBase vernetzt sein.
Interview und Übersetzung aus dem Englischen: Harry Schaack