EDITORIAL
LIEBE LESER,
Aaron Nimzowitsch zählt zu den bedeutendsten Spielern der Schachgeschichte. Zeitweise war er die Nummer drei der Welt. Es blieb ihm jedoch versagt, in einem Match um den Titel der Weltmeisterschaft zu spielen, vor allem wohl, weil er nicht in der Lage war, genug Geld dafür aufzutreiben. Sein schachlicher Triumphzug, den er mit dem Turniersieg in Karlsbad 1929 krönte, wird vielleicht durch seine Tätigkeit als Autor noch übertroffen. Seine beiden Werke Mein System und Die Praxis meines Systems sind schon lange fester Bestandteil des Kanons der Schachliteratur und zählen bis heute zu den meistverkauften Bücher im Schachbereich. Mit seinen neuen Ideen war er der Begründer der Hypermoderne, die das Schachspiel revolutionierte.
Ich war bei der Vorbereitung auf dieses Heft glücklich, dass ich den Nimzowitschkenner Rudolf Reinhardt trotz seiner gesundheitlichen Probleme für einen Artikel gewinnen konnte. Ende August telefonierten wir noch kurz miteinander. Meine Bestürzung war groß, als ich bald darauf die Nachricht von seinem plötzlichen Tode erhielt. Ich bin Andreas Saremba dankbar, der trotz Zeitmangels einen Nachruf verfasste, der den Schwerpunkt dieses Heftes einleitet.
Weil wir somit den letzten Beitrag Reinhards hier publizieren, widmen wir diese Ausgabe dem Berliner Schachhistoriker. Reinhards Forschung galt u.a. den wenig zugänglichen eigenen Veröffentlichungen Nimzowitschs. In akribischer Arbeit hat er aus schwer zugänglichen Quellen kommentiertes Partienmaterial aus den Jahren 1927 bis 1935 zusammengetragen, das nun postum veröffentlicht werden soll und sich als Fortsetzung von Die Praxis meines Systems versteht. Aus diesem Fundus entstammen auch die von Nimzowitsch kommentierten Partien, die Reinhardt für dieses Heft zur Verfügung gestellt hat.
Nimzowitschs Lebenslauf hat in Europa viele Spuren hinterlassen. Als es ihn aber 1922 nach Dänemark verschlägt, scheint er eine Heimat gefunden zu haben, denn fortan lebte er in Kopenhagen bis zu seinem frühen Tode 1935. Per Skjoldager, der gerade an einer Nimzowitsch-Biographie arbeitet, zeichnet diese Jahre nach.
Die Nimzoindische-Verteidigung gehört seit etlichen Dekaden zum Repertoire der allerbesten Spieler. Umso erstaunlicher, dass es noch Abspiele gibt, die bislang recht wenig beleuchtet sind. Lew Gutman untersucht die seltene Variante mit 4.Ld2, die dem Autor nach aber viel Potential enthält.
Fernschachgroßmeister stehen meist nicht so sehr im Lichte der Öffentlichkeit. Im Porträt spricht Professor Richard von Weizsäcker über die speziellen psychologischen Herausforderungen, die die langsamste Art Schach zu spielen, mit sich bringt. Außerdem zeigt er, dass man auch ohne intensiven Computereinsatz erfolgreich sein kann.
Mein Dank gilt vor allem Michael Negele und Per Skjoldager, die den Großteil der Bilder zur Verfügung gestellt haben und stets mit Rat und Tat zur Seite standen.
Harry Schaack