Fragebogen an die Verantwortlichen der BL-Vereine
Jörg Schulz
(Schachfreunde Neukölln)
Sie sind…
1. Vorsitzender des Vereins
Freuen Sie sich auf die kommende Saison?
Ja und Nein. Einerseits ist die BL gut und schön, aber eigentlich können wir uns das finanziell nicht erlauben. Wenn ich an die Finanzierung der 1. Liga denke, kriege ich immer Magengeschwüre. Ein Teil des Geldes wird vom Berliner Senat aufgebracht, ein Teil von Privatleuten, ein Teil von Verein; aber das Geld wird immer knapper.
Woher kommt die Motivation für Ihr Engagement?
Durch die Freude am sportlichen Erfolg des Vereins, der es aus eigener Kraft geschafft hat. Wir sind mit Spielern aus den eigenen Reihen von der Oberliga in die 2. Bundesliga und dann in die 1. Bundesliga aufgestiegen. Viele Jugendliche, die bereits in ihrer Jugend für Neukölln gespielt haben, spielen immer noch in der Mannschaft.
Was macht die BL für Sie attraktiv?
Sie hat Vor- und Nachteile. Es ist die höchste deutsche Spielklasse. Viele gute Spieler. Aber sie hat an Attraktivität verloren, seit viele Spieler nur noch gekauft sind und nicht mehr dem eigentlichen Verein angehören.
Welche Außenwirkung hat die BL, wie wird Sie vom Ausland wahrgenommen?
Das Ausland verfolgt die Liga sicher mit Interesse. Viele Profis wollen hier spielen. Zu Beginn jeder Saison erreichen uns immer jede Menge Nachfragen von Großmeistern und Internationalen Meistern, ob sie nicht bei uns spielen könnten. Und natürlich spielen so starke Spieler in der Bundesliga, dass die Partien interessant sind.
Wie wichtig ist die BL für das deutsche Schach?
Überhaupt nicht wichtig. Es sei denn, man zählt, dass viele Spieler dadurch ihr Geld verdienen. Aber die Bundesliga wird immer mehr eine Sammlung gekaufter Spieler. Gleichzeitig ist sie dafür zu schlecht organisiert. Sie preist sich als stärkste Liga der Welt und präsentiert sich wie die Bezirksliga.
Generell habe ich den Eindruck, die Vereine fördern ihre Leute zu wenig. Stattdessen wird lieber ein starker Spieler von außerhalb gekauft. Allerdings ist die Bundesliga natürlich gut für die deutsche Spitze, die ja doch weniger spielt als früher. Hier haben sie das Äquivalent zu einem starken Turnier.
Aber die Bundesliga bringt keine Sponsoren, es wird keine Öffentlichkeitsarbeit gemacht – es gibt kaum Feedback auf die Liga. Attraktiv ist die Liga natürlich für die Spieler, die gerne dort spielen.
Konservativ gerechnet braucht jede Bundesligamannschaft im Schnitt pro Saison einen Etat von ca. 50.000 EUR. Das macht bei 16 Mannschaften einen Gesamtaufwand von ca. 800.000 EUR. Ist sie diese Summe wert? Welche Rolle spielen die Fixkosten, die bei etwa 35 % liegen?
Diese Kosten hängen sicher von der jeweiligen Mannschaft ab. Unsere Kosten sind sehr viel niedriger, da wir versuchen, bei der Anfahrt zu sparen. Es muss ja auch nicht immer ein Einzelzimmer im Hotel sein. Außerdem werden alle Großmeister von auswärts privat untergebracht. Und natürlich können wir nicht so hohe Honorare zahlen. Bei uns beträgt das Verhältnis der Fixkosten zu den Honoraren etwas 60:40.
Die einteilige deutsche Bundesliga hat seit ihrer Gründung das gleiche Format: 16 Mannschaften spielen jeder-gegen-jeder, der erste gewinnt, die letzten vier steigen ab. Organisiert wird die BL vom DSB, das notwendige Geld geben Sponsoren oder die Vereine, die auch für die Vermarktung und Präsentation der Liga zuständig sind. Zeit für einen Wechsel der Organisationsform?
Die jetzt eingeführte Bundesliga-Reform ist sicher sinnvoll. Aber wenn das Ziel die Veränderung der Bundesliga ist, muss man auch etwas verändern – sonst kann man das auch den DSB weiter machen lassen. Aber ich sehe ein Problem darin, dass die Vereine sich nicht einigen können. Jeder Verein verfolgt seine eigenen Interessen und viele Vereine begreifen sich nicht als Teil eines größeren Ganzen. Viele Vereine haben auch gar kein Interesse daran, das Schach zu fördern, sondern sind nur an eigenen Erfolgen interessiert. Sie begreifen nicht, dass die Bundesliga das Flaggschiff des deutschen Schachs ist und die Vereine eine gewisse Verantwortung dafür tragen. Viele Vereine haben eben auch keinen Sponsor, sondern nur Mäzene, die nur ihr eigenes Interesse verfolgen und auch gar kein Interesse daran haben, dass die Liga eine größere Öffentlichkeit erfährt.
Was die Organisationsform betrifft, so gefällt mir das österreichische Modell mit einer zentralen Endrunde. Oder man spielt 4 zentrale Runden jeweils von Freitag bis Sonntag. Allerdings müsste bei einer Endrunde die Zahl der Mannschaften reduziert werden.
Ein weiteres Problem sehe ich in der derzeitigen Wettbewerbsverzerrung durch mangelnde Professionalität. Manche Vereine setzen ihre guten Spieler nicht mehr ein, wenn sie nicht mehr absteigen können und auch er Sieg nicht mehr möglich ist. Das ist natürlich unsportlich.
Was sind Ihre Zukunftsvisionen für die BL?
Ein anderer Modus sollte her; vielleicht das österreichische Modell. Ansonsten habe ich das Gefühl, dass die Liga schleichend immer stärker wird.
Häufig hört man, dass zu viele Ausländer in der BL spielen. Dadurch ginge die Bindung der Durchschnittsspieler an die Vereine verloren und zudem würde der Nachwuchs der Chance beraubt, sich in der BL zu profilieren. Das deutsche Schach profitiere immer weniger von der BL. Besteht die Notwendigkeit, die Ausländerregelung in der BL zu ändern?
Ja, ich denke, das ist eine gute Idee. Mehr deutsche Spieler sind gut für den Verband und für die Vereine. Allerdings bin ich kein Jurist und weiß nicht, was passiert, wenn man das einfach beschließt. Der DSB traut sich nicht, das wirklich zu machen, da manche Juristen davon abraten. Andere wiederum meinen die Sache ist juristisch alles andere als klar. Es ist ja nicht einmal klar, ob Schach überhaupt ein Profisport im eigentlichen Sinne ist und nicht vielmehr ein Amateursport, in dem es ein paar Profis gibt.
Aber ich finde, man sollte das einfach einmal ausprobieren und sehen, ob tatsächlich jemand klagt. In anderen Sportarten gibt es diese Beschränkung ja auch.
Eine andere Möglichkeit liegt natürlich in der freiwilligen Beschränkung der Vereine. Dann hat man natürlich keine Handhabe, wenn sich ein Verein nicht an diese Absprachen hält. Und nach meinen Erfahrungen haben die Bundesligavereine große Schwierigkeiten, sich auf irgendein gemeinsames Vorgehen zu einigen.
Sollten feste Jugendbretter für jedes Team vorgesehen werden und was halten Sie von der neu eingeführten Möglichkeit, Jugendbretter zu melden?
Ich befürworte Jugendbretter in der Bundesliga. Ohnehin setzen die Vereine Jugendliche viel zu selten ein. Sie trauen ihnen zu wenig zu und fördern ihre eigenen Leute zu wenig.
Nach welchen Gesichtspunkten wählen Sie die Spieler Ihre Mannschaft aus? Spielt Teamgeist in der BL eine Rolle?
Bei uns steht Teamgeist an erster Stelle. Dadurch erzielen schwächere Teams oft bessere Ergebnisse, als man erwartet hat. Ein gutes Team macht manchen Punkt, den man schachlich nicht macht. Auch wenn neue Spieler in die Mannschaft kommen, achten wir sehr auf das Mannschaftsgefüge. Durch die gute Atmosphäre bei uns in der Mannschaft fühlen sich die Leute wohl und bleiben deshalb auch. Man kennt sich in der Mannschaft und es herrscht eine gute Stimmung.
Oft werden die geringen Zuschauerzahlen und die mangelnde Medienpräsenz der BL beklagt. Die BL betreibe zu wenig Marketing. Hätten Sie Vorschläge zur Verbesserung der Präsentation der BL?
Die Vereine müssten mehr Öffentlichkeitsarbeit betreiben und die Wettkämpfe in einen Event verwandeln. Sechs Stunden bei einer Schachpartie zuzuschauen, ist eben nicht sehr spannend. Andere Sportarten machen den jeweiligen Wettkampf ja auch zu einem Event – natürlich sollte es beim Schach keine Cheerleader geben, aber eine Reihe von dem Schach angepassten Veranstaltungen sind möglich: Blitzturniere, Analysebretter, Vorträge von Spielern, die erklären, was in den Partien passiert. Damit die Leute zum Kampf gehen und sich dort unterhalten und ab und zu mal bei einer Partie hereinschauen.
Dann kann man die Vereine aus der Umgebung einladen. Wichtig ist natürlich auch die Öffentlichkeitsarbeit. Gerade kritischer Journalismus ist wichtig. In Deutschland gibt es im Bereich Schach nur einen wirklich kritischen Journalisten und das ist Stefan Löffler. Und vieles, was er schreibt, gefällt dann dem DSB nicht.
Ohnehin müsste der DSB offizielle Pressemitteilungen herausschicken, die das Positive an der Bundesliga herausstreichen. Aber die scheint’s nicht zu kümmern. Und ich bin gespannt, ob die Vereine beim neuen Bundesligaportal im Internet so mitarbeiten wie es notwendig wäre. Manchmal sehen die Spieler selbst allerdings auch nicht, welchen Nutzen sie davon haben, sich dort zu präsentieren und kümmern sich einfach nicht darum.
Generell wird das Potenzial, das die Bundesliga in Bezug auf Öffentlichkeitsarbeit hat, nicht umgesetzt.
Wilfried Klimek, der Geschäftsführer der Galaxy AG, dem Sponsor von Lübeck, traut der BL mit einer ansprechenden Technik und dem entsprechenden Marketing via Internet pro Kampf Zuschauerzahlen von 400.000 zu. Wie sehen Sie das?
Halte ich für zu hoch. Dazu müsste schon mit großem Aufwand ein bombastisches Marketing betrieben werden. Aber um das zu leisten, braucht man auch entsprechende Rechner, die die Übertragung übernehmen. Und da bislang kaum einer im Internet Geld verdient hat, bin ich da skeptisch.
In letzter Zeit mehren sich die Stimmen, die BL werde zunehmend seelenlos, die Bindung der Fans und Spieler an die Vereine gehe verloren. Wie sehen Sie das?
Ja, ich sehe das genauso. Viele Vereine kaufen immer mehr Spieler und achten zu wenig darauf, dass sie aus eigener Kraft in die 1. Liga kommen – etwa durch Jugendarbeit.
Ihr schönstes BL-Erlebnis?
Unser aller erster Heimkampf. Wir haben im neugegründeten Hotel Mercure in Berlin Neukölln gespielt und das war ein wirklich erstklassiges Ambiente. Und das sage nicht nur ich, sondern alle Besucher. So stelle ich mir Bundesligapräsentation vor. Im Nebenraum gab es sogar einen Ruheraum für die Spieler. Dort gab es Getränke und ein Büffet mit Obst, wo sich die Spieler bedienen konnten. Bei den Getränken hatten wir mit dem Hotel einen Rabatt ausgehandelt und haben dann einen recht niedrigen Pauschalbetrag von den Gastmannschaften verlangt.
Und das „schlimmste“?
Ebenfalls unser aller erster Heimkampf. Leider haben die Gäste es vorgezogen, ihre Getränke bei der örtlichen Tankstelle zu kaufen und ins Hotel mitzunehmen – am Ende hinterließen sie dann auch noch jede Menge Müll. Wegen des Pauschalbetrags für das Büffet gab es einen Mordsstreit mit dem Mannschaftsführer – dabei waren die Spieler froh über den Ruheraum. Das war für mich ein echtes Bundesligaerlebnis: eine Mannschaft gibt sich Mühe und möchte die Liga angenehm präsentieren und eine andere Mannschaft macht all die Mühe gedankenlos kaputt.
Die drei herausragendsten BL-Spieler?
Kann ich nicht sagen. Hübner war für mich immer ein herausragender Spieler. Auch Chandler war, glaube ich, früher sehr erfolgreich und jahrelang Topscorer.
Und noch ein Tipp für die kommende Saison: Wer gewinnt dieses Jahr?
Wahrscheinlich wieder Lübeck.
Und wer steigt ab?
Forchheim und Godesberg. Und dann sind natürlich noch die üblichen Verdächtigen abstiegsgefährdet: Erfurt, Neukölln, Plauen, Stuttgart – es ist schwer zu sagen, was passieren wird.
Was sind Ihre eigenen Ziele und Erwartungen?
Für mich ist der Klassenerhalt das Ziel; die Spieler sind optimistischer und würden gerne den Klassenerhalt früh schaffen und mal weiter nach oben schauen.