Fragebogen an die Verantwortlichen der BL-Vereine
Joachim Arendt
(Stuttgarter Schachfreunde 1879 e.V.)
Sie sind …
1. Vorsitzender der SSF 1879 e.V.
Freuen Sie sich auf die kommende Saison?
Ja. Meine Freude ist ungebremst, obwohl wir in dieser Saison ohne die notwendige Unterstützung eines Sponsors spielen müssen. Unser Budget beinhaltet keine Spielerhonorare, unser Amateurverein finanziert lediglich die Reise-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten (etwa 20.000 Euro). Unser bisheriger Sponsor hat das Engagement der Spieler durch Ausbildungsbeihilfen sowie durch Ausbildungsplätze und Anstellungen ausgeglichen. Für die nächste Saison suchen wir natürlich Sponsoren für die Übernahme der Reisekosten, da wir den Etat, den jetzt der Verein bezahlt, nur eine Saison tragen können.
Woher kommt die Motivation für Ihr Engagement?
Ich spiele selber, habe schon zu Beginn in der 1. BL gespielt. Als erster Vorsitzender will ich nicht einen Zustand verwalten, sondern etwas erfolgreich weiterentwickeln.
Was macht die BL für Sie attraktiv?
Sie sollte das Aushängeschild des Schachniveaus in Deutschland sein, sie erscheint jedoch eher als ein Wettbewerb der vielen ausländischen Spitzenspieler untereinander. Auf Grund der derzeit geltenden Ausländerreglung haben viele deutsche Schachtalente keine Teilnahmechance und die Eliteliga bleibt deshalb für die deutsche Öffentlichkeit sowie für die vielen interessierten Schachjünger unattraktiv.
Welche Außenwirkung hat die BL, wie wird Sie vom Ausland wahrgenommen?
Das Interesse im Ausland für die BL scheint mir wenig ausgeprägt.
Wie wichtig ist die BL für das deutsche Schach?
Sie wäre wichtiger, wenn eine bessere Ausländerreglung eingeführt würde. Das Lübecker Modell (in diesem Team spielen nur Ausländer) ist kontraproduktiv. Zuweilen kommt Resignation bei den Vereinen und vielen deutschen Schachtalenten auf. Da es keinen echten Wettbewerb mehr gibt (die ersten Vier stehen schon bei Beginn fest), verliert sich auch das Interesse in der deutschen Schachöffentlichkeit.
Grundsätzlich ist die Mitwirkung ausländischer Spitzenspieler in der deutschen Bundesliga sehr wichtig, da sich starke deutsche Spieler mit ihnen messen und sich damit weiterentwickeln können. Derzeit spielen die ausländischen Cracks aber beinahe nur unter sich. Eine Regelung zur Reduzierung des Ausländeranteils, oder besser: eine Regelung mit einem Mindestanteil deutscher Spieler in einer Bundesligamannschaft von 50% hat weder mit Ausländerfeindlichkeit noch mit dem Bosman-Urteil etwas zu tun. Dadurch würden Talente mehr gefördert und die deutsche Spitze breiter werden.
Konservativ gerechnet braucht jede Bundesligamannschaft im Schnitt pro Saison einen Etat von ca. 50.000 EUR. Das macht bei 16 Mannschaften einen Gesamtaufwand von ca. 800.000 EUR. Ist sie diese Summe wert? Welche Rolle spielen die Fixkosten, die bei etwa 35 % liegen?
Ja, aber das deutsche Schach muss damit entwickelt werden. Nein, wenn es nur zur Selbstbefriedigung einiger egoistischer Sponsoren dient.
Die Fixkosten könnten sicher durch eine Modusänderung optimiert werden, z.B. bei mehreren Runden an einem Ort.
Die einteilige deutsche Bundesliga hat seit ihrer Gründung das gleiche Format: 16 Mannschaften spielen jeder-gegen-jeden, der erste gewinnt, die letzten vier steigen ab. Organisiert wird die BL vom DSB, das notwendige Geld geben Sponsoren oder die Vereine, die auch für die Vermarktung und Präsentation der Liga zuständig sind. Zeit für einen Wechsel der Organisationsform?
Der DSB muss gegen die Separierung der Profiklubs anarbeiten und Regeln setzen, wodurch die Bundesliga sowohl das deutsche Schach weiterentwickelt und damit auch für die Schachöffentlichkeit und für die Sponsoren interessanter macht. Die Vermarktung und sportliche Förderung sind noch zu gering. Der Schachsport sollte an den allgemeinen Sport besser angebunden werden, dann könnte man ihn auch besser vermarkten.
Was sind Ihre Zukunftsvisionen für die BL?
Im DSB sind keine Ansätze erkennbar, das deutsche Spitzenschach weiter zu entwickeln. Wenn in der Bundesliga oder in Großmeisterturnieren, welche in Deutschland durchgeführt werden, immer weniger Deutsche spielen, wird sich das Interesse der deutschen Öffentlichkeit ganz verlieren. Zu empfehlen ist auch ein Blick ins Nachbarland Holland, wo an Großmeisterturnieren immer eine Reihe nationaler Spieler beteiligt werden und so das Interesse der holländischen Öffentlichkeit weit größer ist als vergleichsweise in Deutschland.
Häufig hört man, dass zu viele Ausländer in der BL spielen. Dadurch ginge die Bindung der Durchschnittsspieler an die Vereine verloren und zudem würde der Nachwuchs der Chance beraubt, sich in der BL zu profilieren. Das deutsche Schach profitiere immer weniger von der BL. Besteht die Notwendigkeit, die Ausländerregelung in der BL zu ändern?
Hierzu -wie bereits weiter oben ausgeführt- ein klares JA. Mindestens 50 % Deutsche sollten in einer Bundesligamannschaft spielen, das würde zur Förderung der deutschen Schachspieler beitragen. Auch Österreich z.B. hat eine Regelung, welche ein Minimum von 50% der nationalen Spieler in einer Ligamannschaft garantiert.
Sollten feste Jugendbretter für jedes Team vorgesehen werden und was halten Sie von der neu eingeführten Möglichkeit, Jugendbretter zu melden?
Wenn sich dadurch das Jugendschach besser entwickelt, ist das OK. Wenn aber ein Pflichtbrett für jeden Verein vorgeschrieben wird, dann würde das zu Verzerrungen führen, da sich die finanziell gut ausgestatteten Mannschaften die in der Anzahl wenigen guten Jugendspieler schnappen würden.
Nach welchen Gesichtspunkten wählen Sie die Spieler Ihre Mannschaft aus? Spielt Teamgeist in der BL eine Rolle?
„Beruf und Schach“ ist unser Motto, welches auch bei Verstärkungen eine Rolle spielt. Wenn neue Spieler geholt werden, geschieht das in enger Zusammenarbeit zwischen Vereinsausschuss und Mannschaftsführer Jörg Hickl..
Teamgeist spielt in Stuttgart eine sehr große Rolle. Bei kritischem Kampfverlauf akzeptieren die Spieler auch mal ein Remis in besserer Stellung, wenn es der Mannschaft dient. Die gute Beziehung der Spieler untereinander wird auch dadurch gefördert, dass mehrere von ihnen im selben Haus wohnen, einige gar in einer Art WG.
Oft werden die geringen Zuschauerzahlen und die mangelnde Medienpräsenz der BL beklagt. Die BL betreibe zu wenig Marketing. Hätten Sie Vorschläge zur Verbesserung der Präsentation der BL?
Durch gute Pressearbeit sowie durch Einladungen direkt an die Vereine kann man schon 500 Zuschauer und mehr zu den Spielen bringen. In einer Großstadt ist das natürlich schwieriger als auf dem Land, da z.B. in Stuttgart das Schach am Wochenende mit mehreren sportlichen und kulturellen Veranstaltungen konkurriert.
Der Verein hat bei der Präsentation seiner Heimspiele eine große Verantwortung – auch für die gesamte BL.
Winfried M. Klimek, der Vorstandvorsitzende der galaxis technology ag, traut der BL mit einer ansprechenden Technik und dem entsprechenden Marketing via Internet pro Kampf Zuschauerzahlen von 400.000 zu. Wie sehen Sie das?
Das kann ich schlecht beurteilen.
In letzter Zeit mehren sich die Stimmen, die BL werde zunehmend seelenlos, die Bindung der Fans und Spieler an die Vereine gehe verloren. Wie sehen Sie das?
In Stuttgart sind die meisten Spieler in den Verein integriert und nehmen immer wieder am Vereinsleben teil. Es gibt nur drei Spieler von den 14 gemeldeten, welche nicht in Stuttgart wohnen.
Dass die Vereinsmitglieder hinter der Bundesligamannschaft stehen, kann dadurch belegt werden, dass sich die überwiegende Mehrheit der diesjährigen Generalversammlung des Vereins dafür ausgesprochen hat, die Bundesligamannschaft in der kommenden Saison aus der Vereinskasse zu finanzieren, da sich bekanntlich unser Sponsor zurückgezogen hat.
Ihr schönstes BL-Erlebnis?
Der Aufstieg in die BL, der von uns euphorisch gefeiert wurde. Und dann der Klassenerhalt.
Und das „schlimmste“?
Die unbefriedigende Ausländerreglung, daran hängt für mich die weitere Entwicklung des deutschen Schachsports.
Die drei herausragendsten BL-Spieler?
Ich möchte eigentlich nur Robert Hübner nennen. Er ist eine historische Figur in der BL und im deutschen Schach. Durch sein Langzeitengagement ist er wichtiger, als alle ausländischen Top-GMs, die sich immer mal wieder in der Liga tummelten.
Und noch ein Tipp für die kommende Saison: Wer gewinnt dieses Jahr?
Natürlich Lübeck. Allerdings würde ich dieses Team dann als „Meister der Bundesliga“ und nicht als „Deutschen Meister“ bezeichnen.
Und wer steigt ab?
Forchheim, Godesberg und der Rest ist offen.
Was sind Ihre eigenen Ziele und Erwartungen?
Unser Ziel ist, einen verständnisvollen Sponsor zur Übernahme unseres Reisebudgets zu finden, der unser Konzept und unsere schachpolitischen Ziele trägt. Sportlich erstreben wir einen guten Mittelplatz.