EIN WORT ZUM SCHLUSS
Von Johannes Fischer
Das Internet macht Schachweltmeisterschaften noch aufregender. Aber im Internet erfährt man ungewollt auch immer wieder Dinge, die einen eigentlich gar nicht interessieren. So habe ich während der allgegenwärtigen Berichterstattung über die Krönungsfeierlichkeiten von Charles III erfahren, dass die englische Königskrone 2,155 Kilogramm wiegt.
Als ich das gehört habe, erschien mir das berühmte Shakespeare-Zitat „Heavy lies the head that wears the crown“ plötzlich in einem ganz anderen Licht. Ich hatte diesen Satz immer symbolisch verstanden, als Ausdruck der Sorgen, die das höchste Amt im Staate mit sich bringt. Eigentlich lautet das Zitat auch „Uneasy lies the head…“, aber in meinem Kopf hat sich „heavy“ festgesetzt. Auf alle Fälle stammt der Satz aus Henry IV, meinem Lieblingsstück von Shakespeare, einem zweiteiligen Historiendrama voll untergründiger Spannung und brillanter Dialoge.
Anders als der Titel suggeriert, ist die eigentliche Hauptfigur des Dramas nicht Heinrich IV, sondern sein Sohn Prinz Hal, der als junger Mann und Thronanwärter mit seinem „Lehrmeister“ Falstaff gerne Nächte lang Wein trinkt, aus Spaß Leute überfällt, Wirtshausschlägereien anzettelt, Bordelle besucht und anderen Unsinn treibt. Doch als Heinrich IV stirbt und die Last der Krone an Hal übergibt, wächst dieser in seine Rolle als König hinein. Er hört auf, Prinz Hal und Privatperson zu sein und führt England als Heinrich V zu einem wichtigen Sieg im Kampf gegen Frankreich.
Magnus Carlsen, der langjährige König der Schachwelt, hat sich für den umgekehrten Weg entschieden. Er verzichtete freiwillig auf die Krone der Schachwelt, und während Ding und Nepo in Astana um die Weltmeisterschaft spielten, vergnügte er sich beim Pokern und bei öffentlich gemachten Blitzschachpartys mit viel Alkohol und gern gezeigter guter Laune.
Ob Carlsen so viel Leichtigkeit irgendwann zu schwer werden und er die Last der Krone vermissen wird, wie Ding seine neue Rolle als offizieller König der Schachwelt ausfüllen kann und ob Nepo immer Prinz bleibt, weiß man nicht. Die Zukunft wird es zeigen.