ABWEGIG

Von Harry Schaack

Cover Randspringer

Rainer Schlenker,
Randspringer. Quixotische Schacheröffnungen, Teil 1,
Verlag Der Schachtherapeut 2019,
kartoniert, 156 S., 14,80 Euro

(Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise vom Verlag Der Schach­therapeut zur Verfügung gestellt.)

Rainer Schlenker war Zweit-Bundesliga-Spieler und wurde in den Achtzigern als Herausgeber des kultigen Randspringers einer treuen Fan­gemeinde bekannt. In KARL schrieben Strouhal und Ehn kürzlich über sein außerordentliches Talent, seine Kreativität und das Leben, das irgendwann stärker war. Schlenker ist schon lange nicht mehr in Turniersälen zu finden. Heute praktiziert er in Kaffeehäusern – also ebenso offbeat, wie es seine Eröffnungsschöpfungen sind. Den Randspringer gibt es schon seit zehn Jahren nicht mehr, aber Frank Stiefel mit seinen Illus­trationen und Manfred Herbold haben die losen, bislang unveröffentlichten Exzerpte ihres Freundes Schlenker nun in einer neuen, auf mehrere Teile angelegten Wiederauflage des Randspringers in Form eines Buches herausgegeben. Den Leser erwartet eine Sammlung theoretischer Ergüsse Schlenkers, immer flott vorgetragen in anschaulichen, meist eigenen Schöpfungen, die bis in die jüngste Vergangenheit reichen.
Der Untertitel leitet sich von dem englischen Wort quixotic ab und bedeutet, ganz nach Don Quichotte, etwa so viel wie: Idealismus ohne Rücksicht auf Praktikabilität. Das schmale Bändchen versammelt zahlreiche abseitige Abspiele, die allerdings bei Unkenntnis auch gute Spieler in Kürze in die Knie zwingen können, wie einige Beispiele Schlenkers eindrucksvoll demonstrieren. Es sind selten gehörte Varianten­namen wie „Eselohrverteidigung“, „Dieter-h4“ oder auch die zu Unrecht fast vergessene „Unser­deutsche Verteidigung“, die der Autor den Lesern theoretisch um die Ohren schlägt.
Schlenker arbeitet natürlich ohne Computer, weshalb die Herausgeber die Varianten noch einmal mit dem Rechner gecheckt und hier und da ergänzt haben. Aber es zeigte sich, wie erstaunlich tragfähig manche von Schlenkers Ideen sind, wenngleich der Autor selbst sie stets an der Grenze zwischen E- und U-Schach ansiedelt.
Schlenker versuchte seit jeher Wege ins Schachnirwana jenseits des Mainstreams aufzuzeigen. Doch das Exotische scheint mittlerweile akzeptabel geworden zu sein. Selbst Nakamura hatte schon in Schlenkers Randspringer Anregungen wie etwa 1.e4 e5 2.Dh4 gefunden und auch Carlsen griff schon des Öfteren zu abstrusen Abspielen, die Schlenker nie fremd waren.
Für Randspringer-Fans ein unentbehrliches Buch.