EDITORIAL

LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER,

mit der Wahl von Arkadi Dworkowitsch zum FIDE-Präsidenten im Oktober letzten Jahres ist frischer Wind in den vor 95 Jahren in Paris gegründeten Weltschachverband gekommen. Gelegenheit einmal auf die Geschichte und die Leistungen der globalen Schachorganisation zurückzublicken.

Nachdem die FIDE mit Campomanes und Iljumschinow 36 Jahre lang von oben herab geführt wurde, lässt sich mit dem neuen Präsidenten ein Umdenken erkennen. Obwohl der Russe Dworkowitsch aus einen Land kommt, das ebenfalls auto­kratisch regiert wird, scheint mit seiner Politik und der Einbeziehung aller am Schach beteiligten Kräfte das gespaltene Schachvolk wieder – ganz nach dem Wahlspruch der FIDE „Gens una Sumus“ – zu einer Familie zusammenzuwachsen.

2024 werden die Olympischen Spiele in der französischen Hauptstadt stattfinden, am Ort der Gründung der FIDE, die dann ihr hundertjähriges Jubiläum feiern wird. Diese Koinzidenz erweckt neue Hoffnungen, dass Dworkowitsch aus diesem Anlass mit seinen engen Verbindungen zum Sport doch noch die Aufnahme des Schachs als olympische Disziplin gelingen könnte. In unserem Interview äußert der langjährige DSB-­Geschäftsführer Horst Metzing, der die FIDE schon seit den siebziger Jahren aus nächster Nähe kennt, allerdings Zweifel, ob sich dieses anspruchsvolle Ziel, das dem Schach einen großen Schub geben würde, realisieren lässt. Zu oft sind seine
eigenen Gespräche mit dem IOC in der Vergangenheit gescheitert. Metzing gibt auch einen Einblick in die Strukturen der FIDE und schildert seine persönlichen Kontakte zu den fünf Präsidenten, mit denen er zu tun hatte.

Wie sehr die Spitze des Weltschachverbandes, der zu den größten globalen Sport­­orga­nisationen gehört, die Richtung angibt, mag zeigen, dass es seit seiner Gründung 1924 von Capablanca bis Carlsen zwar 14 „klassische“ Weltmeister gab, aber nur sieben FIDE-Präsidenten. Dabei setzte sich die Idee eines welt­­­um­fassenden Schachverbandes nur langsam durch, wie Herbert Bastian in seinem Beitrag über die Geschichte der FIDE darlegt. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg war sie voll handlungsfähig, nachdem die Sowjetunion 1947 Vollmitglied wurde und die FIDE fortan als offizieller Veranstalter der Weltmeisterschaften fungierte.

In den zwanziger Jahren, als Sport immer auch politisches Statement war, erfreute sich das Arbeiterschach großen Zulaufs. Wie sich diese internationale Bewegung zur Idee eines Weltschachverbandes verhielt, legt Bernd-Peter Lange in seinem Artikel dar.

Unser Porträt widmet sich Andreas Heimann. Der 27-Jährige hat sich etwas im Schatten der „Prinzen“ mit einer Elo von 2634 auf den vierten Platz der deutschen Rangliste vorgeschoben. In Karlsruhe konnte er im April das riesige GRENKE Open als Co-Sieger beenden. Bei diesem Potential ist es seltsam, dass er bislang in der deutschen Nationalmannschaft nicht berücksichtigt wird.

Mein Dank gilt Michael Negele, Wolfgang Pähtz, Raj Tischbierek und dem Max Euwe Zentrum, die teils schwierig zu erreichendes Bildmaterial zu dieser Ausgabe beigetragen haben.

Harry Schaack