VON HEIKKI WESTERINEN ZU PETER LEKO

Eine kurze Geschichte der Dortmunder Schachtage

Von Matthias Langrock

Schach ist Sport. Schach ist aber auch Kunst, schön anzusehen und offen für Interpretationen. Eines der größten Kunstwerke des königlichen Spiels wird in diesem Sommer 30 Jahre alt: die Dortmunder Schachtage. Zeit für einen Rückblick auf dieses Turnier, das einer Oper gleicht: Auf eine Ouvertüre folgen drei Akte voller Spannung und Dramatik, mit Höhen und Tiefen.

DIE OUVERTÜRE: SPASSKI GEGEN FISCHER

Neujahrstag 1972. Morgens um 9.30 Uhr klingelt bei Dortmunds Oberstadtdirektor Hans-Dieter Imhoff das Telefon. Am anderen Ende der Leitung sitzt Eugen Schackmann, Leiter des Presse- und Informationsamtes der Stadt. Er will Imhoff in Sachen Schach sprechen. Dortmund soll die Weltmeisterschaft ausrichten. Spasski gegen Fischer, Sowjetrusse gegen US-Amerikaner, Ost gegen West, ein Duell, das die Augen der Welt auf Schach lenken soll. Und damit auf Dortmund, wünscht Schackmann, der kaum die Figuren ziehen kann. Er will das Image seiner Stadt verbessern, die in der deutschen Öffentlichkeit als Hauptstadt des Bieres und der Zechen gilt und deren einst glorreicher BVB im Sommer aus der 1. Bundesliga absteigen wird. „Das landläufige Image war doch, ‚Das sind fleißige Leute, die können vor den Ball treten, haben aber sonst nicht viel drauf'“, sagt Schackmann. Kurz gesagt: Die Doofen aus dem Ruhrgebiet. Schach sei da „genau der Kontrapunkt, den wir brauchten“ gewesen. Schackmann überzeugt Imhoff und fährt zum Restaurant des Fernsehturms. Dort trifft er auf Klaus Neumann, einen Schachverrückten, der sich in ganz Europa mit seinem Freund und Schachspieler-Kollegen Friedhelm Bachmann umtut. Auch DSB-Spielleiter Helmut Nöttger, DSB-Präsident Ludwig Schneider und Westfalenhallen-Chef Hermann Heinemann sind beim Essen dabei. Schneider sagt später zu Schackmann, er habe noch nie erlebt, dass eine Stadt eine so weitreichende Entscheidung innerhalb von 24 Stunden getroffen habe.

Dortmund bekommt die WM nicht. Reykjavik erhält den Zuschlag und dort wird Bobby Fischer nach einem Aufsehen erregenden Kampf mit einem 12,5:8,5 Sieg über Spasski der 11. Weltmeister der Schachgeschichte.

Schackmann und Spasski 1973 in Dortmunder
Eugen Schackmann und Boris Spasski 1973 im Dortmunder Turmrestaurant (Pressestelle Dortmunder Schachtage)

Aber der DSB ist begeistert von Dortmund und will die 2. Internationale Deutsche Einzelmeisterschaft 1973 hier austragen. „Alle entscheidenden Dinge, die Sie in der Welt bewegen, geschehen, weil einige Leute mehr machen, als sie hätten tun müssen.“, sagt Eugen Schackmann. Neumann, Bachmann, Schackmann tun mehr. Jeder, was er kann. „Ohne Bachmanns Geld und ohne Neumanns Fleiß wäre das alles nicht möglich gewesen. Ohne Neumann und Bachmann hätte Schackmann nie Schach-PR für Dortmund betreiben können“, sagt der PR-Mann. Und ohne die Unterstützung der Stadt Dortmund auch nicht. Oberstadtdirektor Imhoff („Mach alles, wat de kannst“) habe wie sein Nachfolger Harald Heinze immer hinter den Schachtagen gestanden.

Das Turnier beginnt am 17. Mai 73 im Westfalenpark. Am Brett sitzt auch Boris Spasski und der erste Auftritt des Ex-Weltmeisters seit seinem Kampf gegen Fischer zieht 4500 Zuschauer an. Amerikanische Journalisten sind laut Presseberichten angewiesen, alle Züge des Turniers nach New York zu kabeln – zu Fischer. Aber Tur-niersieger wird der Berliner Großmeister Hans-Joachim Hecht. Mit gleicher Punkzahl landet er nach Wertung vor Spasski und dem Schweden Ulf Andersson.

1. AKT: SCHACH IN DER BIERSTADT –
NACH KLUGEN ZÜGEN TIEFE ZÜGE

Am 2. Juni 1973 enden die Meisterschaften und nur einen Tag später sitzen drei der Teilnehmer wieder in Dortmund am Brett – Andersson, der Finne Heikki Westerinen und der Italiener Bruno Parma. Die Idee, ein zweites Turnier zu spielen und „Schachtage“ zu nennen, ist dem Duo Neumann/Bachmann um den Jahreswechsel in Hastings gekommen. Der Ungar Ernö Gereben, NRW-Meister Dr. Peter Ostermeyer und die lokalen Größen Rainer Wittmann, Werner Nautsch, Karl-Heinz Hüttemann, Helmut Kuttnick und Organisator Bachmann sind die weiteren Teilnehmer. Neumann beweist gegen Turnierende prophetische Gaben. „Ein neues Kind ist geboren“, verkündet er der Presse. Bachmann kann sich eindrucksvoll von der Klasse seiner Gegner überzeugen. Mit 2/9 belegt er den letzten Rang.
Gemeinsamkeiten zum heutigen Turnier gibt es kaum noch. Heute dauern die Vorbereitungen rund ein Jahr, damals reichten wenige Wochen. Allerdings verlangen die Organisatoren – und das ist keineswegs bei allen Schachturnieren üblich – damals wie heute Eintrittsgelder. Die Gelder tragen nach wie vor Gelder kaum zum Etat der Veranstaltung bei. Und die Akteure von damals wurden nicht reich. Sieger Westerinen, der in 24 Tagen Dortmund 24 Partien gespielt hatte, erhielt einen Reisekoffer und eine Tasche, genau wie Dr. Ostermeyer für seine Leistung als bester Deutscher.

Für Eugen Schackmann bedeutet das erste Aufeinandertreffen mit den Spitzenspielern einen leichten Kultur-schock. Noch heute schmunzelt er darüber, dass der damals rund 30-jährige Ostermeyer täglich mit seiner Mutter zu den Partien erscheint. Viel Zeit verbringt Schackmann nicht mit den Spielern. Er muss sich um geeignete Räumlichkeiten bemühen, hier mal 3000, da mal 5000 Mark als Sponsorgeld locker machen. Gute Kontakte helfen dabei. Aus dem Etat des Presseamtes steuert er bei, was er kann und gibt durchaus mal 10.000 Prospekte weniger für andere Ereignisse in Auftrag, um mit dem Geld Plakate für die Schachtage drucken und kleben zu können. Was so nicht aufzutreiben ist, schießen anfangs Bachmann und später immer stärker die Stadtsparkasse zu. Neumann überzeugt Gaststättenwirte, den Schachspielern ein warmes Abendessen zu spendieren. Tausende Helfer opfern „für ein Butterbrot“ Urlaub oder Schulferien. „Eine Truppe, auf die ich mich verlassen konnte. Das war damals eine Ausgangsidealsituation, die nie wiedergekommen wäre“, blickt der 1991 pensionierte Schack-mann zurück.

In den 18 Jahren unter Schackmanns Leitung gewinnt das Turnier an Format. Das Kräftemessen einheimischer Spieler mit ausländischen Spitzenakteuren aus den Anfangsjahren weicht einem Aufeinandertreffen vornehmlich ausländischer GMs und IMs. Romanischin (1976), Smejkal (1977), Andersson (1978) oder Hort (1980) tragen sich in die Siegerlisten ein. 1974 spielt Damen-Weltmeisterin Nona Gaprindaschwili und holt Platz drei, 1978 wird sie geteilte Zweite. Vier Jahre später stellen die Organisatoren ein eigenes Damenturnier auf die Beine. „Dass Männer Schach spielen, war normal. Dass Frauen Schach spielen, war ne Meldung“, sagt Schackmann. Gewandelt hat sich auch das Image: Von der „Stadt der tiefen Züge“, die den Schachspielern „nach klugen Zügen tiefe Züge“ (so die Slogans der Brauereien, die als Sponsoren auftraten) abverlangen, ist das Organisatorenteam 1976 von dem damaligen Presseamts-Angestellten Gerd Kolbe auf einen Ausspruch des Ex-Weltmeisters und Fide-Präsidenten Max Euwe gestoßen worden: „Ein intelligentes Spiel in einer intelligenten Stadt für intelligente Menschen aus aller Welt.“

1980 kommt Garri Kasparow nach Dortmund, wenn auch nicht zu den Schachtagen. Klaus Neumann hat die Jugend-Weltmeisterschaft nach Dortmund geholt, die der 17-jährige Kasparow souverän gewinnt. Fünf Jahre später wird er Schachweltmeister.

Klaus Neumann gibt 1982 seinen Posten als Turnierdirektor auf. Der enorme Zeitaufwand verträgt sich schlecht mit seinem Beruf als selbstständiger Versicherungsagent. Aber er bleibt dem Schach als Spieler und als Vorsitzender des renommierten SC Hansa Dortmund, den er selbst gegründet hat, eng verbunden. Im November 1999 stirbt Neumann mit 68 Jahren. Auch Friedhelm Bachmann lebt nicht mehr.

Zum Glück steht mit Jürgen Grastat von den Schachfreunden Brackel ein Nachfolger Neumanns bereit. „Beide zeichnete ein enormes Maß an Idealismus und Engagement aus“, sagt Eugen Schackmann. Grastat sei wie Neu-mann an die „Grenzen der persönlichen Existenz“ gegangen. Wenn einer von beiden hingeworfen hätte – „wo hätte ich dann wen her gekriegt?“

Das Personal ändert sich, das Großmeisterturnier wird immer stärker und die Teilnehmerzahlen beim 1975 erst-mals gespielten Open nehmen ebenso zu wie das Angebot an Turnieren. 1991 finden im Berufsförderungswerk Hacheney drei Großmeisterturniere, ein Meisterturnier und ein Offener Wettbewerb mit 250 Teilnehmern statt. 1990 und 1991 erreicht das GM-Turnier Kategorie 13. Alexander Tschernin gewinnt 1990 vor Boris Gelfand. Aber das größte Aufsehen erregen die drei als Wunderkinder apostrophierten Polgar-Schwestern. Zsuzsa wird Dritte im A-Turnier und Judit belegt den 5. Platz im B-Turnier, in dem ihre Schwester Zsofia mit vier Punkten aus elf Partien Letzte wird. Auch 1991 erhalten die Schachtage jungen Besuch aus Ungarn. Peter Leko erreicht gegen regionale Konkurrenz im Meisterturnier Platz neun. Seine erste Dortmunder Partie verliert der Elfjährige gegen den heutigen Solinger Bundesligaspieler Markus Schäfer, den ersten Sieg landet Peter, der nach getaner Arbeit mit Pantoffeln an den Füßen und einem Turnbeutel in der Hand durch das Berufsförderungswerk zieht, in der vierten Runde gegen Jordanka Micic, einem Mitglied der deutschen Olympia-Damenmannschaft.

2. AKT: DER HÖHEPUNKT –
DAS CHESS MEETING 1992

Die 19. Schachtage 1991 sind die letzten unter Leitung Eugen Schackmanns. Der Presseamtsleiter übergibt an Gerd Kolbe. Der sichert sich in seinem Kollegen Carsten Hensel einen Ko-Organisatoren, der bei der Tischten-nis-WM 1989 Erfahrung in der Organisation von Großveranstaltungen gesammelt hat. Grastat, Kolbe und Team wollen aus den Schachtagen etwas Großes machen. „Viele Großmeister aus dem Ostblock spielten mit. Die über-regionale Presse hatte kein Interesse an dem Turnier“, stellt Hensel rückblickend fest.

Einen schachlichen Höhepunkt zu markieren, geht Anfang der 90er nur mit einem: Garry Kasparow. Der Welt-meister dominiert seinen Sport auf dem Brett und in den Medien. Auf der Cebit 1991 knüpfen Hensel und Chess Meeting-Sprecher Pit Schulenburg die Kontakte zu Andrew Page, dem Manager des Russen. Sie versprechen ein hochkarätiges Turnier – und ein Startgeld von 40.000 US-Dollar. 25.000 weitere Dollar wird Kasparow für ein Simultan erhalten. Page sagt zu, das Abenteuer kann beginnen.

Kasparow und Iwantschuk 1992 in Dortmund
Dortmund 1992: Garri Kasparow zusammen mit Ko-Sieger Wassili Iwantschuk (Pressestelle Dortmunder Schachtage)

Erstmals in ihrer Geschichte sind die Schachtage auf größere finanzielle Unterstützung angewiesen. Aber die Zeit für die Akquise von Großsponsoren ist knapp. Im Mai versagt der Ältestenrat der Stadt die beantragte Bürgschaft von rund 620.000 Mark. Oberbürgermeister Günter Samtlebe wird aktiv, der Initiativkreis Ruhrgebiet sagt 250.000 Mark zu und so muss der Rat schließlich nur noch für 376.000 Mark bürgen. „Kasparow kann kommen“, titelt die Dortmunder Presse. Schulenburg und Hensel suchen nach adäquaten Gegnern für den Weltmeis-ter. Kasparow selbst will unbedingt die damalige Nummer Zwei der Weltrangliste, Wassili Iwantschuk, unter den Gegnern sehen, aber der zeigt sich von finanziellen Zusagen der Veranstalter unbeeindruckt und sagt erst zu, nachdem seine damalige Frau Alisa Galliamowa zum Open eingeladen wird. Die Dortmunder garnieren das ausländische Spitzenfeld (neben Kasparow und Iwantschuk spielen Adams, Anand, Barejew, Kamsky, Piket, Salow und Schirow) mit dem Deutschen Dr. Robert Hübner. Kategorie 17 ist erreicht, der Elo-Schnitt liegt bei 2662 – die Schachtage sind an der Weltspitze angekommen.

Nicht nur sportlich setzt das Chess-Meeting Akzente. 540 Teilnehmer spielen in drei Open; wer sich im A-Open mit Dutzenden von Großmeistern messen will, und dessen Elo-Zahl unter 2295 Punkten liegt, zahlt die stolze Summe von 250 Mark. Trotzdem wird das Open zur Zuschussveranstaltung, sagt Pressesprecher Schulenburg. „Es war aber nötig, um den Festivalcharakter zu erhalten und ein starkes Open zu garantieren.“ Auf dem zweiten Platz nach Wertung landet der damals noch titellose Wladimir Kramnik. Erstmals können die Zuschauer, insgesamt 11.000 sind es an den neun Spieltagen (allein am Ostersonntag strömen rund 2000 in die Westfalenhalle), die Partien auf Monitoren verfolgen. Vor dem Spielsaal kommentieren Dr. Helmut Pfleger und Vlastimil Hort die Kämpfe der Matadoren, die in der Halle 2a wie in einem Boxring sitzen, eingekreist vom Publikum.

Sportlich hält das Turnier, was sich alle versprochen haben. Der Favorit Kasparow siegt mit dem letzten Zug des Turniers, nicht allerdings ohne zuvor – und das geschieht bis heute sehr selten – gleich zwei Partien verloren zu haben. Gegen Gata Kamsky und – ganz Schach-Deutschland steht Kopf – gegen Robert Hübner. Carsten Hensel sieht rückblickend in dem Turnier den kommerziellen Durchbruch der „Mediensportart Schach“. Das Chess Meeting habe gezeigt, dass man über Schach eine „sehr, sehr große Öffentlichkeit mit vergleichsweise geringem Aufwand“ erreichen könne. Die selbstbewussten Organisatoren verkünden, „wer uns den Rang als Hochburg wieder abjagen will, der muss sich warm anziehen.“

3. AKT: DER FALL INS LOCH UND SCHNELLE WEG HINAUS

Warm anziehen müssen sich zunächst Grastat, Kolbe und Co. Die ohnehin abgespeckt geplanten 21. Schachtage 1993 drohen auszufallen, nachdem im Sommer 92 eine Etatlücke von einigen zehntausend Mark sichtbar wird. Schließlich bewilligt der Rat einen Zuschuss von 80.000 Mark; 100.000 Mark zahlt die Stadtsparkasse, ein be-scheidener Gesamtetat im Vergleich zur Millionensumme des Vorjahres. „Wir sind ins Loch gefallen“, sagt Hensel heute. Die Veranstalter wandern aus der Westfalenhalle in das Berufsförderungswerk zurück, nur acht Spieler nehmen am GM-Turnier teil. Anatoli Karpow gewinnt ein Kategorie 16-Turnier vor Wladimir Kramnik und Christopher Lutz.

Über persönliche Kontakte und professionelle Arbeit kommt das Triumvirat Hensel, Grastat, Kolbe ab 1994 wieder zurück an die Spitze. Die Schachtage wechseln ihren angestammten Termin und finden fortan in den Sommermonaten statt. Da Theater und Oper Pause machen, können die Schachspieler in die „Guten Stuben“ der Stadt Einzug halten.

Kasparow kommt nicht mehr wieder, nach einigem Hin und Her um die Ausrichtung der WM 1995, die er schließlich gegen Anand im New Yorker World Trade Center gewinnt, sind die Differenzen zu groß. Wladimir Kramnik wird zum Mr. Dortmund. Er gewinnt die Schachtage 1995, 96, 97, 98, 2000 und 2001. 1999 und beim Kandidatenturnier 2002 siegt das Dortmunder Ziehkind Peter Leko. Im Vertrauen auf den Russen und den Un-garn sieht Carsten Hensel, der beide mittlerweile auch als Manager betreut, eine der Stärken des Turniers. „Wir haben auf beide vertraut, als sie noch nicht an der absoluten Spitze waren. Leko haben wir 1994 und 1995 sogar als Quotenkiller mitspielen lassen.“ Instinkt und Wissen hätten dafür gesorgt, dass „man auch ohne Kasparow ein Großereignis schaffen kann“, sagt Hensel. Daneben sehen Hensel und Kolbe in der Betreuung der Spieler und des Teams den Erfolg ihres Turniers begründet. An „vielen netten Abenden“ seien Fahrer, Kassierer und die weiteren Helfer vor Ort ganz nah an die „ganz großen Jungs“ rangekommen. Selbst unter den Spielern sei ein Vertrauensverhältnis entstanden.

Der 11-jährige Peter Leko
Der junge Peter Leko 1991 mit elf Jahren erstmals in Dortmund (Pressestelle Dortmunder Schachtage)

Das Turnier wird ab 1994 auch zum Schaulauf neuer Übertragungstechnik. Die Kommentare von Helmut Pfleger, Klaus Bischoff und Eric Lobron werden per Funk in den Spielsaal übertragen und über Kopfhörer ans Pub-likum übermittelt. Die Zuschauer verfolgen die Partien auf Großleinwänden und die Anzeige der Restzeit, die in der Zeitnotphase für Spannung sorgt, wird immer exakter. „Wir waren in den 90er Jahren mit Sicherheit die am besten präsentierte Schachveranstaltung.“, sagt Hensel.

Wenn nicht Ausnahmeereignisse wie das Kandidatenturnier 2002 dazwischen kommen, wünschen sich die Veranstalter Kramnik, Leko und Viswanathan Anand, der seine Verbundenheit mit Dortmund vor Jahren mit seiner Hochzeitsreise in die Stadt demonstriert hat, als Teilnehmer der Schachtage. Die übrigen Spieler müssen gut genug sein, damit Dortmund neben Wijk aan Zee und Linares eines der stärksten Turniere der Welt bleibt. „Einen Elo-Schnitt von 2700 sollte es haben“, sagt Hensel. Kolbe setzt auf mindestens einen deutschen Spieler, auch wenn die, so Hensel, mit Ausnahme von Christopher Lutz‘ Erfolg 1993 „leider Gottes“ ausnahmslos enttäuscht hätten. Die Hoffnung der Organisatoren ruht auf dem 17-jährigen Arkadi Najditsch, der im August sein Debüt im Top-Turnier gibt. Wer von Weltklassespielern wie Topalow, Schirow, Adams, Gelfand noch eingela-den wird, hängt von den aktuellen Ergebnissen, dem Zeitplan der Großmeister und dem Etat der Dortmunder ab. Der hat sich nach Kolbes Angaben in den vergangenen Jahren bei rund 400.000 Euro eingependelt. Die mittlerweile zum Titelsponsor aufgestiegene Sparkasse trägt den größten Anteil.

Bei allen Erfolgen ist nicht zu übersehen, dass die Schachtage in den vergangenen Jahren gelitten haben. Das letzte B-Turnier gab es im Jahr 2000, dann wurde es durch Zweikämpfe ersetzt, die Teilnehmerzahl der Open schwankte in den vergangenen Jahren zwischen 200 und 260 und im vergangenen Jahr nahm kein Großmeister daran teil. Aber die Besucher die Schachtage lassen sich davon kaum stören: 2002 beurteilen mehr als 94 Prozent des Publikums das Ereignis mit gut oder sehr gut. Jürgen Grastat hat als Turnierdirektor im vergangenen Jahr seine 21. und letzten Schachtage geleitet. Er wird von Stefan Koth ersetzt.

DAS NACHSPIEL: WOHIN GEHT DIE REISE?

Jedes Kunstwerk hat ein Ende; aber für die Schachtage ist keins abzusehen Und allzu weit in die Zukunft schau-en wollen und können Kolbe und Hensel nicht. Prinzipiell sei die Schachstadt Dortmund für Wettbewerbe aller Art offen, sagt Kolbe. Auch für Weltmeisterschaften und Olympia. Ob Kasparow noch ein drittes Mal hier spie-len wird, darf bezweifelt werden. Im Zwölf-Jahres-Rhythmus müsste er eigentlich im nächsten Jahr wieder kommen.