EDITORIAL
LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER,
Friedrich Sämisch ist zweifellos einer der bekanntesten deutschen Spieler. Bis heute ist sein Name mit verschiedenen Spielsystemen verbunden. Er war der erste Deutsche, der nach dem Krieg von der FIDE einen Großmeister-Titel verliehen bekam. Und er war für seine unzähligen Simultan- und Blindschachvorstellungen berühmt. Erstaunlich ist jedoch, das bislang recht wenig über sein Leben bekannt war.
Dank der Mitarbeit von Michael Dombrowsky, der gerade seine Sämisch-Biografie abgeschlossen hat, die in Kürze erscheinen wird, können wir in dieser Ausgabe eine ganze Reihe unbekannter Details aus dem Leben Sämischs präsentieren.
In seinem Artikel über den Lebenslauf Sämischs zeigt Dombrowsky erstmals dessen Geburtsurkunde, die enthüllt, dass der Berliner drei Vornamen hatte. Auch weithin unbekannt war, dass Sämisch während des Nationalsozialismus wegen „Wehrkraftzersetzung“ nur knapp dem Tode entrann. Dazu hat Dombrowsky in einem eigenen Artikel die damaligen, verschollen geglaubten Verhandlungsakten ausgewertet.
Mihail Marin hat bei seiner schachlichen Untersuchung der Partien Sämischs festgestellt, dass der Deutsche mit seinem langsamen Spiel zuweilen an Tigran Petrosjan erinnert. Richtig erstaunt war er jedoch, als er bemerkte, dass Sämisch nicht nur wesentliche Beiträge zu den Systemen im Königs- und Nimzoinder geleistet hat, die seinen Namen tragen. Vielmehr hat Sämisch den Igel in die Praxis eingeführt und schon viele Jahrzehnte, bevor diese Eröffnung in den siebziger Jahren populär wurde, zentrale Ideen dieses Aufbaus gezeigt.
Michael Ehn zeichnet das internationale Turnier in Wien 1921 nach, das zum ersten großen Erfolg Sämischs wurde. Gleichzeitig markiert es den Abstieg des ruhmreichen Wiener Schachklubs, für den es die letzte Veranstaltung war, die unter seiner Ägide stattfand.
Willy Hendriks beschäftig sich mit einem traurigen Rekord Sämischs: Seiner chronischen Zeitnot, die in Büsum 1969 zu einem bis heute unerreichten Desaster führte, als er alle Partien durch Zeitüberschreitung verlor.
Anlässlich des 70. Geburtstages von Rainer Knaak führte Sören Bär ein Interview mit dem deutschen Großmeister, den sein Kollege Lothar Vogt wegen seines kompromisslosen Spiels einmal als „Feuerwerksmann“ bezeichnete.
Besonderer Dank gilt Hans-Jürgen Fresen, der uns aus seiner Sammlung u.a. das Titelbild zur Verfügung gestellt hat, Evi und Christian Zickelbein, die uns Fotos aus dem Archiv des HSK 1830 zugänglich gemacht haben, sowie Michael Ehn und Michael Dombrowsky für weitere Illustrationen.
Harry Schaack