DER VATER DES KLUBS

Ein Interview mit dem 1. Vorsitzenden des HSK, Christian Zickelbein

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(Foto: Harry Schaack)

KARL: Wie lange sind Sie Vorsitzender des HSK?
CHRISTIAN ZICKELBEIN: Ich glaube, ich habe 1986 den Vereinsvorsitz übernommen. Ich erinnere mich gar nicht mehr genau an das Jahr. Den Zeitpunkt kann ich eher inhaltlich bestimmen. Unser Schachklub hatte sich einige Jahre dem HSV angeschlossen, in der Hoffnung mehr Geld für die Bundesliga zu erhalten. Als der HSV Schwierigkeiten hatte, die Zusage von 100.000 DM für den Leistungsetat einzuhalten, kam es zur Trennung und wir machten uns wieder eigenständig.

Warum haben Sie damals den Posten übernommen?
Ich übernahm das Amt von Hans-Joachim Müller, der in den 70er Jahren das Jugendschach in Hamburg vorangetrieben hatte. Ihm fehlte damals die Power, den Verein durch diese schwere Krise zu führen. Da musste jemand mit mehr „drive“ ran. So bin ich da hineingeraten. Nach einigem Zögern gab ich meine Zusage.

Wirkten Sie schon vorher in verantwortlichen Positionen des HSK?
Ich arbeitete damals an unserer Vereinszeitung mit und mir war wichtig, dass eine Perspektive für die Jugendlichen da war. Obwohl ich kein Vorstandsamt hatte, war ich durch meine Kinder wieder stark in das Vereinsgeschehen eingebunden.

Sie sind schon seit den 50er Jahren mit dem Verein „liiert“, waren dann aber einige Zeit inaktiv.

1972 zog ich mich aus der Vorstandsarbeit zurück und kümmerte mich etwa zehn Jahre lang um meine Familie und meine berufliche Karriere. Ich unterrichtete Deutsch und Französisch an einem Gymnasium. Später bildete ich auch im Studienseminar Deutschlehrer aus. Erst als meine drei Kinder groß genug waren und Schach spielen wollten, kehrte ich in den HSK zurück.

Sie haben dort wieder angeknüpft, wo sie einst im Verein angefangen haben.
So kann man das sagen. Ich komme aus der Jugendarbeit und mein Herz gehört ihr bis heute.

Als Sie 1956 die erste Schulschachgruppe gründeten, war das etwas ganz Neues. Wie kam es dazu?
Diese Idee, für die es keine Vorbilder in Deutschland gab, kam mir in den letzten Monaten vor meinem Abitur. Schulschach war damals unbekannt. Während meines Studiums war ich noch fast jeden Tag in der Schule, hielt den Kontakt und konnte die Schachgruppe weiter ausbauen. Dann musste ich die Leitung abgeben, da ich ein Jahr in Frankreich studieren wollte. Ich hielt es aber nur ein halbes Jahr aus. Die Korrespondenz mit allen Mitgliedern der Schachgruppe war meine Hauptbeschäftigung in jener Zeit. Ich denke, die Anfangsjahre waren damals sehr wichtig für den Zusammenhalt der Gruppe.
Fortan machte ich alle zwei Jahre einen neuen Kurs, sodass immer wieder Jugendliche dazukamen. Durch die Fusion mit einer anderen Schule wuchs die Gruppe auf über 100 Leute an. Aus dieser Arbeit ging auch der Schachjugendbund hervor, dessen Vorsitz ich später übernahm.

Das Gymnasium Uhlenhorst-Barmbek, in der Sie die Schachgruppe damals gründeten, soll nun als eine von vielen Hamburger Schulen geschlossen werden.
Ja, leider. Meine Schachgruppe von damals überlebte in diesem Gymnasium. Diese Schule ist nun das bekannteste Opfer der Schulschließungen der Stadt Hamburg, die aufgrund der demographischen Entwicklungen durchaus gerechtfertigt werden könnten.

Was bedeutet diese Schließung für Sie?
Ich habe mit dieser Entscheidung Schwierigkeiten. Ich weiß nicht, ob die Schüler dort schon erkannt haben, dass ihre einzige Perspektive vermutlich darin liegt, die Gruppe an einer anderen Schule weiterzuführen. Bis zuletzt kämpfen sie noch für ihr Gymnasium.

Sie zeichnen auch mitverantwortlich für die Gründung der Deutschen Schachjugend.
Die DSJ ließ sich damals nur unter großen Widerständen im Deutschen Schachbund einrichten. Viele hatten Angst vor einer Art Staat im Staate. Das war Ende der Sechziger, die Zeit der Studentenrevolution. Solche Innovationen betrachteten viele Funktionäre mit Argwohn. Obwohl der langjährige Vorsitzende des HSK und des DSB, Emil Dähne, diesen Gedanken stets förderte, kam es erst 1971 zur Gründung der DSJ.

Noch heute sind Sie mit dem Schulschach verbunden.
In einer Schulschachgruppe bin ich regelmäßig einmal die Woche. Ich gebe Schachunterricht und begleite den einen oder anderen Wettkampf. Ich bin auch immer noch für die Koordination des Schulschachs im Klub verantwortlich. Ich muss Trainer zur Verfügung stellen, mich um die Aufwandsentschädigungen kümmern oder Absprachen mit dem Sportbund treffen. Das ist viel Arbeit.

Welche Tätigkeiten umfasst Ihr „Job“ noch und wie viel Zeit wenden Sie dafür auf?
Im Moment 8-10 Stunden pro Tag. Ich fange so um 10:00 Uhr an. beantworte E-mails, führe Telefonate, schreibe und organisiere Artikel für unsere Klubzeitung Aktuell, für die ich hauptverantwortlich bin.
Zu den Bundesligawettkämpfen begleite ich unser Team fast immer. Da sind am Wochenende auch drei Tage weg. Außerdem hängt die gesamte Organisation der Unterkünfte, Fahrgelegenheiten und die Abrechnung immer noch an mir. Schließlich habe ich mich, auch im Interesse des Klubs noch dazu hinreißen lassen, Bundesligasprecher zu werden.
Im Klub selbst bin ich im Schnitt vielleicht zwei bis dreimal die Woche. Das ist ganz unterschiedlich. Manchmal bin ich die ganze Woche gar nicht da, dann wieder jeden Tag.
Dazu mache ich noch unsere Werbeveranstaltungen in den Einkaufszentren. Das sind mehrmals im Jahr ganze Wochen, in denen ich von morgens von halb neun bis abends um 21 Uhr beschäftigt bin. Und diese Veranstaltungen müssen natürlich vorher organisiert werden.

Finden Sie da noch Zeit, aktiv in einer Mannschaft zu spielen?
Gelegentlich. Ich spiele in HSK 15 und habe es in der letzten Saison immerhin auf sechs Einsätze gebracht.

Das sind viele Aufgaben für eine Person. Könnten Sie nicht einige davon delegieren, z.B. die Vereinszeitung?
Es scheint so, als könnte bisher nur ich die Klubzeitung machen. Wir haben mehrfach versucht, die Aufgaben zu übertragen, aber das ist immer wieder sehr schnell eingeschlafen. Und ich halte die Zeitung für das wichtigste Verständigungs-Medium unseres Klubs. Ich befürchte, dass sie nicht mehr regelmäßig vier- bis sechsmal im Jahr erscheinen wird, wenn ich mich nicht dafür einsetze.
Und als Mannschaftsführer für das Bundesligateam ist auch noch niemand gefunden, der zum einen die Zeit und zum anderen den guten Kontakt zu den Spielern hat.
In den Einkaufszentren macht es mir einfach riesigen Spaß, mit den Kindern zu arbeiten. Und es tut mir in der Seele weh, wenn ich einmal das Jugendtraining nicht selbst machen kann. Meistens weiß ich, dass andere die Arbeit nicht so gut machen und nicht mit so viel Begeisterung dabei sind wie ich. Deshalb mache ich immer wieder mit an manchen Stellen, obwohl ich es mir gar nicht leisten kann. Ich müsste ganz andere Dinge tun, wenn ich mein Amt als 1. Vorsitzender ernst nehmen würde.

Könnten Sie sich mit der Bezeichnung „Schachmanager“ anfreunden?
Genau das bin ich ja eigentlich nicht, bzw. eher widerwillig und ohne große Begabung zum Management. Man hat mich mal einen „Schachmissionar“ genannt, doch das müsste man wohl etwas differenzieren. Und meine Frau glaubt, ich sei das „Faktotum“ des Vereins. Das ist vielleicht zu despektierlich und zum Glück inzwischen auch falsch. „Der Schachmanager, der sich eher als Lehrer sieht“ – das wäre vielleicht ein Kompromiss, mit dem ich mich anfreunden könnte.

Sie sind 67 Jahre alt. Wie lange wollen Sie den Vorsitz noch machen?
Ich würde sehr gern den Vorsitz an jemanden abgeben, der die Gesamtverantwortung für den Klub übernimmt. Er braucht gar nicht mal so viel zu arbeiten, aber er muss die Aufgaben an ein paar Leute verteilen. Vielen Mitgliedern fällt bei diesem Thema gleich meine Tochter Evi ein, die im Klub sehr aktiv ist. Doch das wäre viel zu früh für sie. Zur Geldbeschaffung wäre jemand mit einem guten Draht zur Wirtschaft sehr hilfreich. Aber der ist nicht in Sicht. Wir haben auch darüber nachgedacht, einen Geschäftsführer einzustellen. So kann es in Zukunft jedenfalls nicht weitergehen. Wir haben im Moment nicht einmal einen 2. Vorsitzenden. Es ist also schon eine sehr bedrohliche Situation.

Haben Sie Sorge, dass es nicht mehr weitergehen könnte bzw. im Verein das Chaos ausbricht, wenn Sie den Vorsitz aufgeben?
Ich nehme an, dass sich, wenn ich wirklich mal ausscheide, auch wieder jemand findet. Aber das ist eben auch eine vage Hoffnung. Ich habe in Hamburg schon einige Vereine zu Grunde gehen sehen, als wichtige Leute gegangen sind.

Was sind die größten Probleme, mit denen Sie in Ihrem Amt beschäftigt sind?
Eine Hauptsorge sind natürlich die Finanzen des Klubs. Die Schulden auf unserem Klubhaus sind zwar zur Hälfte getilgt, aber es ist eben auch noch ein beträchtlicher Teil abzubezahlen. Darüber hinaus ist die Bundesliga alleine aus den Mitgliedsbeiträgen nicht zu finanzieren. Auch wenn wir versuchen mit Hamburger Spielern auszukommen, so brauchen wir doch einige „Große“ an den vorderen Brettern, die wir bezahlen müssen. Und die Reisekosten sind erheblich. Zudem haben wir ein Frauenbundesligateam und auch die Zweitligamannschaft verursacht kosten. Diese finanzielle Sorge ist immer eine Belastung und ein beunruhigender Faktor meines Amtes.

Christian Zickelbein 1
(Foto: Harry Schaack)

Wie wichtig sind in dieser Hinsicht die Aktionen in den Einkaufszentren?
Diese Werbeveranstaltungen sind unsere wichtigste Einkommensquelle. Wir machen das jetzt seit acht Jahren. Diese Arbeit bereitet mir ungeheuren Spaß. Wir versuchen Schach vielfältig zu präsentieren. Neben dem Schachunterricht für Schulklassen gibt es Simultanvorstellungen mit unseren Großmeistern. Blindschach, Blitzhandicap, Mannschaftsturniere, Computerpartien und Schachausstellungen. Es ist eine Gesamtpräsentation, für die wir von den großen Einkaufszentren bezahlt werden.

Gibt es noch andere Einnahmequellen?
Wir dachten ursprünglich, wir könnten das Haus in der spielfreien Zeit vermieten. Das klappte anfangs auch ganz gut, aber aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage finden sich keine Mieter mehr. Das ist Geld, das uns schmerzlich fehlt.
Wir mussten neue Darlehen aufnehmen und können unsere Schulden nicht so abbezahlen, wie wir das gerne würden.

Was sind Ihnen die unangenehmsten Aufgaben?
Die Geldbeschaffung. Dafür bin ich nicht der richtige Mann. Andererseits sind die Veranstaltungen in den Einkaufszentren auch Geldbeschaffung, und die mache ich außerordentlich gerne. Aber Leute anzuschreiben, um Geld und Spenden zu betteln, das ist nicht meine Sache. Das müsste jemand anderes machen.

Wie entwickeln sich die Mitgliederzahlen des Vereins?
Wir wachsen immer noch. Im Moment haben wir knapp 400 Mitglieder. Als wir in das Vereinsheim gezogen sind, waren es gerade mal 250. Seither gibt es eine Aufwärtsentwicklung. Wir haben mittlerweile 24 Mannschaften und dazu noch 16 Jugend- und fünf Frauenteams.

Gibt es ein Geheimrezept, wie man so groß wird? Was ist der Erfolg des HSK?
Zunächst einmal liegt das Klublokal traditionell sehr zentral in der Hamburger City. Das war sicherlich schon immer eine äußere Vorbedingung dafür, dass der Verein Mitglieder aus ganz Hamburg anzog. Ein anderer Aspekt ist, dass wir in der Bundesliga spielen. Dadurch sind wir häufig in den Medien. Die Öffentlichkeitsarbeit und unsere gut gepflegte Internetseite spielen auch eine Rolle. Und schließlich unsere vielfältige Jugendarbeit und die Lehrgänge sowie das ständige Trainingsangebot für erwachsene Anfänger oder auch für Rentner.

Wie hat der Verein die Gruppe der Rentner entdeckt?
Wir haben gezielt in der Zeitung inseriert. Der größte Werbeerfolg war ein Artikel in einer Kundenzeitung der Hamburger Elektrizitätswerke, bei denen wir damals eine Werbeveranstaltung machten. Da erreichten wir auf einen Schlag 60 Leute, die sich zu einem Seminar anmeldeten. Ich erhoffe mir im Rahmen unserer Jubiläums-Ausstellung noch einmal einen solchen Erfolg.

Was bedeutet der Verein für Sie und was treibt Sie an?
Besser ist wohl: was hält mich? (lacht) Die momentane Situation ist auch für meine Familie schwierig, da ich ihr nicht genug Zeit widme. Aber gerade meine Frau verteidigt mich, indem sie sagt, ich tue eine sinnvolle Arbeit. Es macht mir einfach Freude mit Menschen umzugehen und für sie etwas tun zu können. Und insbesondere mit Jugendlichen zu arbeiten.
Vielleicht hängt es auch damit zusammen, dass mich eigentlich erst der Verein und das Schach in Hamburg heimisch gemacht haben, als ich als Jugendlicher aus der Mark Brandenburg hierher gezogen bin. Im HSK habe ich meinen eigenen Kreis aufgebaut und Sozialbeziehungen geknüpft. Die gemeinsamen Erfahrungen meiner jungen Jahre haben mich wohl so geprägt, dass ich dem Verein jetzt etwas zurückgeben will.
Ich glaube, meine Arbeit hier hat eine Dynamik angenommen, aus der ich auch selber nicht mehr herauskomme. Man kann das als Auftrag rechtfertigen. Ich könnte das nicht einfach von heute auf morgen alles sein lassen. Das ist für mich eine innere Verpflichtung.

Wie werden Sie von den Mitgliedern im Verein gesehen?
Ich denke, ich bin für viele eine Respektsperson und für andere ganz sicher ein Mentor. Viele kenne ich schon von frühester Jugend an.
Ich glaube auch, dass vieles von dem, was ich unter Gemeinschaft verstehe und durch mein Amt repräsentiere, von den Mitgliedern anerkannt und aufgegriffen wird. Hier im Haus passiert vieles, das ganz ohne meine Kontrolle funktioniert. Das Klubheim ist eine Art kreativer Raum, in den sich unterschiedliche Gruppen einbringen. Ich bin vermutlich der einzige im Verein, der alle Mitglieder persönlich kennt. Doch selbst für mich ist es unmöglich, den Überblick über alle Aktivitäten zu behalten.
Mir ist es wichtig, dass die Mitglieder meine Ideen in dem Sinne weiter führen, dass sie sich in diese Gemeinschaft einbringen. Ein solches Engagement ist mir lieber als eine Rückmeldung zu meiner Arbeit, die sowieso ganz selten kommt. Das erwarte ich auch nicht, obwohl ich positives Feedback natürlich gern höre. (lächelt)

Kürzlich haben Sie für Ihre ehrenamtliche Tätigkeit eine Würdigung ganz anderer Art erhalten: das Bundesverdienstkreuz. Welchen Wert hatte diese Auszeichnung für Sie?
Der Vorschlag kam von Ralf Oelert, der in den 50er Jahren bei unserer damaligen Konkurrenz spielte. Erst in hohem Alter wechselte er zu unserem Verein. Dass er mich für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen hat, ohne dass ich etwas davon wusste, hat mich außerordentlich gefreut.
Ich habe die Auszeichnung sehr begrüßt, weil sie stellvertretend eine Anerkennung für den Klub und für Schach überhaupt ist. Das Drumherum hat mich natürlich amüsiert, denn das Verdienstkreuz hat mir die Senatorin übergeben, die auch für die Schulschließungen verantwortlich ist. Ich habe den Anlass genutzt und noch einmal gegen die Schließung gerade des Gymnasiums Uhlenhorst-Barmbek argumentiert.
Mich hat natürlich auch sehr gefreut, dass ungeheuer viele Leute aus der Schachszene aus ganz Deutschland mit ihren mails und Briefen Anteil an dieser Ehrung hatten. Alle waren der Meinung, dass es endlich mal einen erwischt hat, der es verdient hat. Na ja, das hat mir schon geschmeichelt. (schmunzelt)

Was zeichnet die Gemeinschaft im HSK aus? Was ist für Sie das Besondere?
Es gibt natürlich keine einheitliche Gemeinschaft. Unser bester Spieler Jan Gustafsson kennt die meisten Rentner nicht. Und umgekehrt verhält es sich ebenso. Die Bundesligamannschaft als Aushängeschild des Vereins trägt sicherlich bei vielen zu einer gewissen Identifikation bei. Einige Spieler wie Lubomir Ftacnik und Karsten Müller sind unheimlich anerkannt im Verein, da sie sich immer auch ehrenamtlich einsetzen.
Wie dem auch sei, bei so vielen Menschen steht natürlich nicht immer das Schachliche im Vordergrund. Die Mannschaften werden bei uns weniger nach Leistung, sondern weitgehend nach menschlich-sozialen Gesichtspunkten zusammengestellt. Und so bildeten sich innerhalb des Klubs viele kleinere Gemeinschaften, Trainingsgruppen etc., in denen sich die Mitglieder untereinander kennen, verabreden und zusammen spielen. Aber viele kennen nur ihre Bereiche.
Für mich ist unsere Klubzeitung das wichtigste Kommunikationsmittel zwischen so vielen Mitgliedern. Nur dadurch kann man die vielfältigen Aktivitäten jedem zugänglich machen. Diese Funktion kann so nachhaltig auch das Internet noch nicht übernehmen. Die Zeitung ist gewissermaßen auch die Chronik des Vereins.
Wichtig für den Zusammenhalt in unserem Verein sind auch die jährlichen Jugendreisen, an denen im Schnitt 80 – 100 Jugendliche teilnehmen. Es gibt zwar nicht mehr die früheren opulenten Stiftungsfeste, aber Turniere oder auch die Weihnachtsfeier, bei der das Haus mit 120 Leuten voll ist.
Der Verein ist ein inkonsistentes Konglomerat und die Aufgabe des Klubs und seiner Verantwortlichen ist es, für die unterschiedlichsten Interessen ein Forum zu bieten.

Wie verstehen Sie sich innerhalb einer 175jährigen Vereinsgeschichte? Gibt es so etwas wie eine historische Verpflichtung?
Ich weiß nicht, ob die Geschichte des HSK in dem Sinne wirklich große Bedeutung für mich hat. Ich lebe und handele eher in den aktuellen Zusammenhängen und Problemen des Klubs. Ich habe gar nicht die Zeit, mich um Vereinsgeschichte zu kümmern.
Es gibt natürlich auch Themen wie etwa Klaus Junge, die mich interessieren und immer wieder beschäftigen. Die Recherche-Arbeit dazu leisten aber andere. Andererseits würde ich die Zeitgeschichte, die ich selbst im Klub mit geprägt habe, gerne irgendwann einmal zu Papier bringen. Allerdings sagt man so etwas leicht, die Umsetzung fällt aber schwer.

Was waren die bedeutendsten Klub-Ereignisse Ihrer Amtszeit?
Natürlich war der Hausbau 1996 wichtig für uns. Solange ich denken kann, war die Suche nach einem geeigneten Spiellokal immer ein Problem. Jetzt sollten wir eine feste Bleibe gefunden haben. Mein eigener Anteil daran ist übrigens eher bescheiden. Ich habe lediglich um Spenden der Mitglieder geworben und mit dem Sportamt und dem Sportbund als den Förderern des Projekts verhandelt. Die wichtigen Planungsarbeiten wurden von anderen Klubmitgliedern geleistet. Und beim Innenausbau des Hauses haben etliche Mitglieder geholfen. Man sieht daran, dass der Klub viele Väter hat.
Ein anderes Highlight war das SKA Großmeister-Turnier von 1991, das Jussupow vor Wahls gewann. Für diese Veranstaltung hatte ich das Geld besorgt.
Doch die Aufzählung der großen Ereignisse – Hausbau, SKA-Turnier – ergibt ein falsches Bild. Wichtiger sind mir wohl doch die Schachfreunde, die Ideen aufgreifen oder selbst entwickeln und dann tatkräftig an ihre Verwirklichung gehen. Und davon gibt’s eben doch viele im Klub. Nicht missen möchte ich auch alle Jugendfreizeiten, die ich noch bis in die Achtziger Jahre mitgemacht habe.

Waren die Jugendreisen des HSK reine Freizeiten oder wurde dort auch trainiert?
Ich bin ein entschiedener Verfechter des Leistungsgedankens. Nicht unbedingt hin zum Professionellen. Das muss nicht sein, auch wenn es konsequent ist. Aber ich würde niemals einem jungen Spieler raten, Profi zu werden. Ich könnte für einen solchen Schritt nicht die Entscheidungsgrundlage geben.
Ich bin für das Leistungsschach und dafür, dass ernsthaft gespielt und trainiert wird. Bei unseren Jugendreisen gab es immer auch Schachwettkämpfe gegen ansässige Vereine. Auch gegen erwachsene Teams. Das war immer eine große Motivation für die Jugendlichen.
Andererseits ist meine Überzeugung, dass man etwas fürs Leben mitnimmt, wenn man Schach auch nur zwei Jahre gespielt hat. Und das hat nichts mit Leistungsschach zu tun, sondern mit dem allgemeinen Denken.
In Hamburg gibt es leider eine Tendenz im Schachjugendbund zur reinen Spaßveranstaltung. Ich tendiere eher für einen Ausgleich.

Mit welchen Grundproblemen hat ein Klub von einer solchen Größe zu kämpfen?
Zunächst einmal die leidvolle Lokalsuche, die mit unserem Haus ein Ende gefunden haben sollte. Allerdings ist es hier fast schon wieder zu eng.
Ein anderes Problem ist, dass unser Verein nicht mehr überschaubar ist. Und dadurch haben manche Mitglieder vielleicht auch Kontaktschwierigkeiten. Daher braucht man einige Leute, die auf andere zugehen und als Mittler fungieren. Solche Leute sind für unseren Verein unentbehrlich. Früher übernahm das die Hausfrau h.c., Frau Fischer. Aber auch heute gibt es verschiedene solcher Glücksfälle, die den Klub zu so etwas wie einem Zuhause machen. Einmal sprach mich eine Rentnerin an, die gerne spielen wollte, aber kein Geld hatte. Nicht einmal für den Vereinsbeitrag. Na ja, das macht nichts, sagte ich, sie könne ja trotzdem bei uns spielen.
Als Ausgleich dafür, dass sie keinen Beitrag bezahlte, bot sie an, einmal die Woche Thekendienst zu machen. Seither gibt es das so genannte „Thekenschach“. Während ihres Dienstes spielt sie eine Partie. Jeder, der etwas kauft, muss sie beraten und ihr einen Zug vorschlagen. Das ist eine der kleinen alltäglichen „Sensationen“ im Haus. Und ein Beispiel, wie man sich innerhalb des Klubs ganz unterschiedliche Refugien erobern kann.
Unser Verein will neue Mitglieder und braucht sie auch. Und daher sind alle aufgefordert, Neuzugänge nicht alleine stehen zu lassen.

Wie, glauben Sie, wird Ihr Klub in Hamburg wahrgenommen. Halten kleinere Vereine den HSK für eine Bedrohung?
Im Grunde müsste man die anderen fragen …

Die Frage ist, wie Ihr Selbstverständnis dazu ist.
Ich bin auf jeden Fall um gute Beziehungen zu den anderen Vereinen bemüht. Und darauf bedacht, jeden Hochmut in der Selbstdarstellung zu vermeiden. Früher mag das anders gewesen sein. Ich habe mal erfahren, dass mich einige in meinem Auftreten als arrogant und ironisch empfunden haben.
Zu Dähnes und Frau Fischers Zeiten in den Sechzigern Jahren hatten wir als Klub einen anderen gesellschaftlichen Status als heute. Ich denke, wir sind heute sehr viel mehr akzeptiert.

Was ist der Unterschied zu früher?
Der HSK war früher ein „vornehmer“ Klub mit zum Teil exklusiven Adressen, was die Spielstätten angeht. Und das ist er heute nicht mehr. Zu meiner Anfangszeit im Verein brauchte man noch zwei Bürgen, um Mitglied zu werden.
Ich denke, die anderen Vereine wissen eben auch, dass der HSK verschiedene Leistungen erbringt, von denen jeder in Hamburg profitiert.

Das Interview führte Harry Schaack