EDITORIAL
LIEBE LESER,
Schachsammler werden von den aktiven Spielern selten beachtet und bleiben meist im Hintergrund. Von wenigen Ausnahmen abgesehen treten sie nicht durch ihr Spiel in Erscheinung. Und doch tragen sie wesentlich zum Selbstverständnis aller Spieler bei, denn in ihren gesammelten Objekten bewahren sie die Geschichte des Schachs. Ohne ihr Engagement wären viele Zeugnisse der Vergangenheit dem unwiederbringlichen Verfall anheim gegeben.
Kaum ein Gebiet eignet sich so gut zum Sammeln wie das Schach. Die Kulturgeschichte des Spiels hat mannigfaltige Gegenstände hervorgebracht, Bücher aus dem 15. Jahrhundert ebenso wie kunsthandwerkliche Erzeugnisse oder Kleinobjekte jeglicher Art. Gesammelt werden kann schlicht alles. Der Wert spielt dabei meist nur eine untergeordnete Rolle, auch wenn erlesene Stücke, womöglich Unikate, eine Sammlung auszeichnen.
Die ersten großen Schachbuchsammler taten sich zu Beginn des 19. Jahrhundert hervor. Harald Ballo und Jean Mennerat zeigen, wie der bibliophile Frédéric Alliey die erste bedeutende Sammlung in einer Zeit zusammentrug, in der das Reisen und der Kauf von Büchern weit schwerer war als heute.
Der wohl berühmteste Schachsammler ist der Karl May-Verleger und Großmeister Lothar Schmid. In einem halben Jahrhundert hat er die größte private Schach-Kollektion der Welt zusammengetragen. Begonnen hat er mit ein paar Büchern, mittlerweile besitzt er mehrere 10.000 Objekte.
Der Bochumer Hans-Jürgen Fresen gestattet den Lesern einen Einblick in seine Schatzkammer. Er sammelt fast alles, was mit Schach zu tun hat, und überrascht mit vielen Kuriositäten.
Aber es gibt auf fast allen Sammelgebieten auch Spezialisten: Sie interessieren sich für Telefonkarten, Briefmarken, Schachspiele, Daten, oder Problem-Kompositionen – vieles davon findet sich in unserem Heft, das zu einer Sammlung von Sammlern geworden ist. Und doch handelt es sich nur um eine kleine Auswahl, denn Vollständigkeit ist uns ebenso verwehrt wie den Sammlern.
Im Rubrikenteil präsentiert Joel Lautier seine Lieblingspartie gegen seinen ehemaligen Trainer Viktor Kortschnoi und erinnert sich an das Gefühl der Kreativität, das er dabei genoss. Im Porträt verrät die deutsche Nachwuchshoffnung Jan Gustafsson, wie man mit Pragmatismus Erfolg hat. Der Hamburger belegte kürzlich den zweiten Platz bei der Deutschen Einzelmeisterschaft und könnte bald die Elo-Schallmauer von 2600 knacken.
Michael Ehn und Ernst Strouhal erinnern an James Mason und zeigen, dass ein unsteter Lebenswandel der Schachkarriere nicht unbedingt förderlich ist. Und wir fragen, was der bekannte Schriftsteller und Schachenthusiast Tim Krabbé eigentlich macht.
Schließlich noch ein Wort in eigener Sache: Karl ist nun über drei Jahre zum selben Preis erhältlich gewesen. Wegen gestiegener Betriebskosten sehen wir uns jedoch gezwungen, den Heftpreis ab der kommenden Ausgabe zu erhöhen. Karl wird fortan 5,50 Euro kosten, das Probeabo 8,- Euro (im Ausland 10,- Euro), das Jahresabo 17,- Euro (im Ausland 22,- Euro). Wir bitten um Verständnis.
Harry Schaack