KOLUMNE

Die Karl-Kolumne ergänzt die Printausgabe des Karl. Die Kolumne präsentiert Rezensionen aktueller und alter Schachbücher, Betrachtungen über die Literatur, Kultur und Psychologie des Schachs und gelegentliche Kommentare zum aktuellen Schachgeschehen.

 

„MIT OFFENEN AUGEN UND OHREN DURCH DIE WELT“

Johannes Fischer interviewt
die Philidor-Biografin Susanna Poldauf

 

Poldaufs Philidor Biographie Cover

Susanna Poldauf
Philidor:
Eine einzigartige Verbindung von Schach und Musik,
Berlin: Exzelsior Verlag, 2001,
Hardcover, 189 S.,
18,- Euro

Heute feiert eine der wichtigsten Figuren der Schachgeschichte Geburtstag: Am 7. September 1726 kam Francois-André Danican Philidor in Dreux, in der Nähe von Paris zur Welt. Aus diesem Anlass führte Johannes Fischer für Karl ein Interview mit Susanna Poldauf, der Autorin des vielbeachteten Buches Philidor: Eine einzigartige Verbindung von Schach und Musik.

Susanna Poldauf

Biographische Angaben:

Susanna Poldauf, 1969 in Neu-Kaliß (Mecklenburg) geboren. In Stralsund aufgewachsen. Regieassistentin für Musiktheater in Stralsund, Berlin und Basel. Studium der Kultur- und Theaterwissenschaften an der Berliner Humboldt-Universität. Abschluss 1998. Wohnhaft in Berlin, verheiratet, ein Sohn. Arbeitet zur Zeit für die Emanuel Lasker Gesellschaft in Berlin.)

 

Ist heute ein Tag zum Feiern?
Eigentlich nicht. Schließlich hat Philidor dieses Jahr keinen runden Geburtstag. Da feiere ich lieber morgen. Da hat mein Mann Geburtstag, der übrigens auch Musiker und zumindest Hobbyschachspieler ist. Philidors runder Geburtstag war letztes Jahr, also genau in dem Jahr, in dem mein Buch erschienen ist – aber diesen runden Geburtstag hat kaum einer zur Kenntnis genommen.

Philidor Büste

Philidors Vater starb früh, und Philidor selbst wurde im Alter von sechs Jahren von seiner Familie getrennt. Hatte das Schachgenie eine schwere Kindheit?
Philidor kam mit sechs Jahren in das Pagenkorps des Königs, um als Sänger ausgebildet zu werden. In meinem Buch habe ich die Frage offen gelassen, ob seine Kindheit schwer war. Schließlich kann man das nicht definitiv entscheiden. Ich deute das nur an. Damals herrschte jedoch eine ganz andere Vorstellung von dem, was Kindheit ist. Aber sicher hat er seine Familie sehr vermisst – jedes Kind sehnt sich nach Geborgenheit.
Die kleinen Sänger von Versailles wurden ziemlich getrimmt. Schließlich lernten die Kinder dort alles Mögliche, wobei der Schwerpunkt auf der musikalischen Ausbildung lag. Nur besonders talentierte Kinder wurden in das Korps aufgenommen und es herrschte ziemlicher Leistungsdruck. Dazu kam noch das straffe Regiment, das durch die religiöse Grundstruktur der Ausbildung vorgegeben war. Es blieb kaum Zeit für Spiele mit Gleichaltrigen und das Schachspiel im Kapellhaus war eigentlich das einzige Spiel, das erlaubt war.
Andererseits erhielt Philidor in der Chapelle royale eine sehr gute Ausbildung. Sein Lehrer war der Komponist und Chorleiter André Campra, der auch für die Bühne komponiert hat. Hier wurde der Grundstein für Philidors spätere Laufbahn als Theater-Komponist gelegt.

Mit 14 kam dann der Stimmbruch; Philidor verließ das Pagenkorps und verdiente sich sein Geld in Paris im Café de la Régence. Der richtige Ort für einen Heranwachsenden?
Nun, damals haben Kinder bereits sehr früh angefangen, Geld zu verdienen. Da Philidors Vater gestorben war, und die Mutter, von der nicht viel bekannt ist, sicher nur über wenig Geld verfügte, war Philidor auf sich allein gestellt. Letztendlich hat er eine angenehme Lösung gefunden und sein Geld mit Schach verdient. Natürlich ist es für einen 14-jährigen nicht unbedingt gut, wenn er sich nächtelang im Café rumtreibt, aber er hat auch davon profitiert. Das Weltmännische, das ihn auszeichnet, sein Geschick im geschäftlichen Bereich und im Umgang mit Leuten aus allen Lebensbereichen hat er wahrscheinlich im Café de la Régence erworben. Es war die Zeit der Aufklärung und das Café war ein zentraler Ort im Pariser Geistesleben. Dort verkehrten illustre Leute, Künstler, Musiker, Aufklärer usw. Es herrschte eine produktive Atmosphäre.
Ohnehin hatte Schach einen anderen gesellschaftlichen Stellenwert als heute. Schach war Mode und mehr als nur ein Spiel. Genau wie der Kaffee, der in den Kaffeehäusern getrunken wurde, war es neu, kam aus dem Orient und war eine spannende Angelegenheit. Übrigens eine Entwicklung, die in Deutschland viel später einsetzte.

Philidor traf im Laufe seines Lebens zahlreiche einflussreiche Leute vom Hof, aus der Geschäfts- und Geisteswelt. Welche Rolle spielte er dabei, welches soziale Ansehen genoss er als Schachspieler und Musiker?
Seine geistige Leistung als Schachspieler wurde zur Kenntnis genommen, bewundert und in den Zeitungen der damaligen Zeit diskutiert – vor allem seine Fähigkeiten im Blindspiel. Ein Beleg für seine Bekanntheit liefert das in meinem Buch zitierte frivole Novalis-Gedicht „Ich weiß nicht was“ über Philidors Brautwerbung:

Jüngst als Lisettchen im Fenster saß
Da kam Herr Filidor
Und küßte sie
Umschlang ihr weiches, weißes Knie
Und sagt ihr was ins Ohr
Ich weiß nicht was.

Dann gingen beide fort, er und sie
Und lagerten sich hier
Im hohen Gras
Und triebens frey in Scherz und Spaß
Er spielte viel mit ihr
Ich weiß nicht wie.

Zum Spiele hat er viel Genie,
Er triebs gar mancherley.
Bald so, bald so
Da wars das gute Mädel froh,
Doch seufzte sie dabey
Ich weiß nicht wie.

Das Ding behagt den Herren baß
Oft giengs da capo an
Doch hieß es drauf
Nach manchen, manchen Mondenlauf
Er hab ihr was gethan:
Ich weiß nicht was.

Der Name von Philidors Frau Elisabeth, der Verweis auf Philidors Kunst im Spiel und das „da capo“ als Anspielung auf seine Rolle als Musiker, weisen meiner Meinung nach darauf hin, dass Philidor gemeint ist. Aber in den verschiedenen von mir durchgesehenen Novalis-Ausgaben fehlt in allen Kommentaren ein Hinweis darauf, dass sich hinter dem Namen Filidor tatsächlich eine reale Person verbirgt.
Allerdings scheint Philidor mit seinem Ruf als Schachspieler nicht sehr glücklich gewesen zu sein. Er musste Geld verdienen, Werbung für sich machen und dabei half ihm das Schachspiel. Aber eigentlich strebte er nach Ansehen als Musiker. Ein Musiker genoss einen höheren gesellschaftlichen Stellenwert als ein Schachspieler. Einmal hat er in London, als Zweifel geäußert worden, ob eine bestimmte, unter seinem Namen erschienene Komposition wirklich von einem Schachspieler stammen könnte, sich öffentlich gerechtfertigt und erklärt, dass das Werk tatsächlich von ihm stammt und er sich in erster Linie als Musiker verstehe.
Im Gegensatz zur Musik ist im Schach die Hierarchie sehr klar: man spielt gegeneinander und wer gewinnt, zählt als der Bessere. In der Musik gibt es nicht dieses Moment von Sieg oder Niederlage.
Die Musik war für Philidor enorm wichtig. Aber er brauchte auch Geld und da hat ihm das Schach geholfen. Man könnte sagen, er betrieb ein richtiges Blindspielunternehmen: mit Marketing, Ankündigungen, einem richtigen Spektakel, bei dem Leute Eintritt zahlen mussten, um ihn spielen zu sehen. Natürlich gab es das auch in der Musik. In meinem Buch erwähne ich das Beispiel Mozarts, der als Kind sein Musiktalent öffentlich zur Schau stellte und dafür Geld kassierte; er gehört wie Philidor ganz sicher auch zu dieser Gruppe der ersten Performer.

Philidor

Noch einmal zum Schachspieler Philidor. Von ihm sind kaum Partien bekannt und die von ihm konstruierten Partien in seinem Lehrbuch wirken aus heutiger Sicht künstlich. Welche Absicht verfolgte er mit diesen Beispielpartien?
In der Tat machen es die fehlenden Partien schwer, die Spielstärke Philidors einzuschätzen. Die Partien, die überliefert sind – und das sind immerhin über 80 -, hat er gespielt, als er bereits alt war und den Zenit seiner Spielstärke lange überschritten hatte. Meist waren die Gegner schwach oder Philidor spielte mit Vorgabe oder simultan. Also alles andere als zuverlässige Gradmesser seiner Spielstärke.
Faszinierend finde ich jedoch die inszenierten Partien. Hier versucht Philidor im Schach das, was Leibniz und in dessen Folge die Enzyklopädisten in anderen Bereichen machten: die Grundprinzipien des menschlichen Lebens und Wissens zu finden. Philidor zeigt die Grundgesetze des Schachs mit Hilfe einer wissenschaftlichen Methode auf, um damit die Prinzipien des Denkens im Schach sichtbar werden zu lassen. Für Philidor war Schach nicht nur Zeitvertreib. Er war der Überzeugung, dass dem Schach etwas innewohnt, was sich zu Erforschen lohnt.

Du selbst bezeichnest Dich nicht als Schachspielerin. Wie kam es dann zu diesem Buch?
Ich bin nun mal keine Schachspielerin, aber in meiner Familie spielte Schach eine zentrale Rolle. Mein Vater spielt Schach und natürlich mein Bruder. (Der bekannte Schachjournalist Dirk Poldauf). Ich selbst habe Theater- u. Kulturwissenschaften studiert. Als ich für meine Magisterarbeit nach einem Thema suchte, bei dem ich wirklich etwas Neues entdecken konnte, fragte mich Dirk eher beiläufig: „Hast Du schon einmal etwas von dem Opernkomponisten Philidor gehört?“ Dann war es eigentlich mein Vater, der entschied, Philidors Doppelbegabung sei ein spannendes Thema. Anfangs noch skeptisch, habe ich mir das einmal genauer angeschaut. Was mich dabei fasziniert hat, waren Philidors Bedeutung für die französische Musik, seine Nähe zu den Aufklärern und seine Freundschaft zu Diderot. Die Familien von Philidor und Diderot haben sich gekannt und regelmäßig besucht. Und der letzte, von Diderot überhaupt überlieferte Brief, war an Philidor gerichtet.
Dann kam natürlich auch der Schachspieler Philidor hinzu. Und da habe ich die spannende Entdeckung seiner komponierten Partien in seinem Schachbuch gemacht. Ich muß zugeben, dass ich erst durch Philidor einen Zugang zur Kulturgeschichte des Schachs bekommen habe.
Besonders interessiert hat mich auch Philidors Aufenthalt am Hofe Friedrichs II. Darüber war kaum etwas bekannt. Philidor wollte sich dort u.a. um eine deutsche Übersetzung seines 1749 in London erschienenen Buches „L‘ Analyze des Echecs“ kümmern. Philidors frühester Biograph Twiss datierte dessen Besuch auf das Jahr 1751, andere Quellen sogar auf 1752, was mir aber ohne innere Logik zu sein schien. Dann fand ich bei dem Berliner Komponisten Marpurg einen ersten Hinweis auf das Jahr 1750 für Philidors Berlin/Potsdam-Besuch. Doch das genügte mir nicht als Beweis. Also habe ich mich aufgemacht und tagelang in Bibliotheken gesessen, und ganze Jahrgänge alter Zeitungen von damals auf Mikrofilm durchgesehen. In den Jahren 1751 und 1752 fand ich nichts. Aber endlich stieß ich auf das, wonach ich suchte: in einer Berliner Zeitung vom 9. April 1750 fand ich eine recht ausführliche Mitteilung über Philidors Treiben in Berlin. Das sind dann die kleinen Glücksmomente des Forschers. So funktioniert das eben. Man muss sich überlegen, wo könnte ich etwas finden, dann muss man in Bibliotheken und Archiven sitzen und forschen.
Nachdem meine Magisterarbeit vorlag, bekam ich eine Anfrage vom Exzelsior-Verlag, ob ich nicht ein Buch über Philidor schreiben möchte. Allerdings sollte es sich deutlich von der Magisterarbeit abheben. So fing ich noch im Babyjahr an, alles zu überarbeiten und weite Teile neu zu verfassen. Natürlich ging mein Verleger Raj Tischbierek damit ein gewisses Risiko ein, denn schließlich weiß niemand, ob ein Buch mit einem solchen Thema sich überhaupt angemessen verkaufen wird.

Wie waren denn die Reaktionen auf das Buch?
Die Kritiken waren durchweg positiv und unerwartet zahlreich. Wobei vor allem die Schachszene das Buch wahrgenommen hat. In der Musikszene habe ich es noch nicht platzieren können. Allerdings hat sich jemand vor Kurzem in einer Musiksendung im Radio eine Komposition von Philidor gewünscht. Mittlerweile weiß ich auch, dass das mit meinem Buch zu tun hatte.

Neben Informationen über Philidor enthält Dein Buch auch zahlreiche zeitgenössische Abbildungen. Wie bist Du daran gekommen?
Einige Leute haben mir geholfen, vor allem Schachsammler. Lothar Schmid, z.B., war sehr hilfreich. Ich habe ihn um Unterstützung gebeten und er hat mir noch am nächsten Tag Kopien geschickt und mir seltenes, kaum bekanntes Material zur Verfügung gestellt.

Welche Beziehung hast Du nach dieser intensiven Beschäftigung zu Philidor?
Natürlich möchte man den „Held“ seiner Arbeit in gutem Licht erscheinen lassen – aber trotzdem habe ich mich um eine sachliche Darstellung bemüht. Aber einiges an Philidor und seinem Leben hat mich schon beeindruckt. Seine unglaubliche Doppelbegabung z.B. Ich glaube, dass es immer gut ist, wenn man mehr als nur eine Sache verfolgt.

Wenn man Deinem Buch Glauben schenkt, war Philidor mit einem glücklichen Leben gesegnet: er war der beste Schachspieler der Welt und ein erfolgreicher Musiker, führte eine glückliche Ehe, hatte Kontakt zu den führenden Köpfen seiner Zeit und zu den Mächtigen seines Landes. Täuscht dieser Eindruck?
Nein, aber sein Ende trübt dieses Bild etwas. Er lebte die letzten Jahre getrennt von seiner Familie in London und konnte durch die Wirren der französischen Revolution auch nicht einfach wieder zurück. Dann war er ziemlich krank und litt unter Gicht. Schließlich ist er sang- und klanglos gestorben, und man weiß nicht einmal genau, wo seine Grabstätte liegt.
Er hat Zeit seines Lebens wenig Aufhebens von sich gemacht – was mir sympathisch ist; in dieser Zeit, in der die öffentliche Zurschaustellung der eigenen Befindlichkeiten immer verbreiteter wurde, gibt es keine Selbstbekenntnisse von ihm. Das ist natürlich für die Forscher schade, aber es war ihm wohl nicht wichtig. Schachspielen und Komponieren waren sein Lebensinhalt.
Einiges über Philidor weiß man durch die Briefe an seine Frau. Sie führten eine – modern ausgedrückt – Pendelbeziehung. Philidor lebte seit seinem Vertrag mit einem Londoner Schachclub ab 1775 abwechselnd in London und Paris. In seinen Briefen werden viele haushaltstechnische Dinge behandelt, aber manchmal erwähnt Philidor auch seine Kontakte zum Militär und zum Adel. Auch spürt man darin eine tiefe Zuneigung und Liebe zu seiner Frau. Leider sind ihre Briefe an ihn nicht erhalten.
Vielleicht liegt es an der nicht besonders reichen Quellenlage, dass Philidor nach seinem Tod eigentlich unterschätzt geblieben ist – im Schach und in der Musik. Im Schach entwickelte er mehr als hundert Jahre vor Steinitz eine Theorie des Positionsspiels, was aber heute fast vergessen ist. Ich muss allerdings zugeben, dass ich mich da nicht so genau auskenne. Da müsste man einen Schachspieler fragen. Möglicherweise war sein Spiel einfach nicht spektakulär genug.

Tom Jones Plakat

Auch in der Musikwelt kennen ihn nur wenige. Vielleicht steht aber eine Philidor-Renaissance bevor. So gab es am Tag, als mein Buch zur Druckerei gebracht wurde, zufällig eine Premiere von Philidors Oper „Tom Jones“ in der Neuköllner Oper in Berlin. Ich habe das erst am selben Abend entdeckt und schaffte es gerade noch rechtzeitig zu Vorstellungsbeginn. Danach habe ich den Dramaturgen gefragt, wie man denn auf Philidor gestoßen sei. Er meinte, der Dirigent hätte auf der Suche nach etwas Neuem im Grove geblättert, dem Nachschlagewerk, in dem fast alle bekannten und unbekannten Musiker aufgelistet sind und sei dort auf Philidor gestoßen. Mir schien dieser Zufall damals ein fast mystisches Zusammentreffen zu sein. Vor ein paar Monaten lief „Tom Jones“ übrigens auch in Hagen.
Trotzdem wundert es ein wenig, dass Philidor als Musiker so wenig bekannt ist; nun gut, er war nicht so unsterblich wie z.B. Bach, aber er war ein bekannter Musiker und er hatte Wirkung. Mozart z.B. hat die Opern Philidors in Paris sicher gehört. Vielleicht liegt es daran, dass das 18. Jahrhundert kulturell gesehen so ungeheuer reich ist und man dort noch so viele Leute entdecken kann. Philidors Kompositionen liegen zumindest noch vor, auch wenn es kaum Einspielungen gibt. Aber über die Hälfte seiner Kompositionen sind erhalten.

Der im Schach meistzitierte Satz Philidors lautet: „Die Bauern sind die Seele des Spiels.“ Es gab Versuche, diesen Satz als Vorboten der französischen Revolution zu deuten, als ein Beispiel dafür, wie sich gesellschaftliche Strömungen in der Entwicklung des Schachspiels niederschlagen. Was ist davon zu halten?
Einfach so herleiten kann man das sicher nicht. Philidor hat sein Lehrbuch 1749 geschrieben, 40 Jahre vor der Revolution. Vielleicht war da so etwas wie Zeitgeist am Werk, aber einen zwingenden Bezug sehe ich dort nicht. Philidor war kein ausgesprochen politischer Mensch. Zum Ende seines Lebens, als er nicht nach Frankreich zurückkonnte, war er erstaunt, in politische Dinge verwickelt zu sein.

Gibt es schon Pläne für Dein nächstes Projekt?
Keine konkreten. Aber es wird sicher nichts mit Schach zu tun haben. Ich sehe das Philidor-Buch als ein Intermezzo in der Schachszene, in der ich letztlich aber als Nicht-Schachspielerin nur eine Außenseiterin bin. Mittlerweile reizen mich wieder andere Themen. Mir erscheint die Schachwelt sehr abgeschottet. Aus meiner Sicht wäre es wünschenswert, wenn sich gerade die Spieler mehr für die kulturellen Zusammenhänge ihres Spiels interessieren würden.

Noch eine letzte Frage zum Abschluss: Was kann man von Philidor lernen?
Dass man sich nicht nur auf eine Sache spezialisieren muss, um darin gut zu sein. Für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit ist es meiner Meinung nach wichtig, sich von verschiedenen Dingen inspirieren zu lassen und mit offenen Augen und Ohren durch die Welt zu gehen.