Harry Schaack

EDITORIAL

LIEBE LESER,

am 5. Mai 2005 jährte sich der Todestag von Michail Botwinnik zum zehnten Mal. In der Ruhmeshalle der Schachweltmeister wirft er wohl einen der mächtigsten Schatten. Nicht nur die lange Zeit, die er den Titel beanspruchte, sondern seine universalen Fähigkeiten als Theoretiker, Autor und Lehrer, sowie seine Leistungen auf dem Gebiet der Elektrotechnik sind erstaunlich. Seine sprichwörtliche Selbstdisziplin und der Wille zur Perfektion waren das Fundament für seine Ausnahmestellung. Johannes Fischer wirft in seinem Porträt einen Blick auf die Gaben einer vielseitigen Persönlichkeit.

Der „Patriarch“, wie er in der Sowjetunion genannt wurde, war jedoch kein einfacher Mensch. Einer der ersten Schüler Botwinniks, Mark Taimanow, berichtet über eine Beziehung mit Höhen und Tiefen. Trotz der zwischenmenschlichen Schwierigkeiten, die beide hatten, merkt man seinen Worten stets den Respekt an, den er vor seinem Lehrer hat.

Obwohl Botwinnik von seinen sieben WM-Matchs mehr verlor als gewann, behauptete er mit nur zwei kurzen Unterbrechungen 15 Jahre lang seinen Titel. Als er sich im WM-Turnier 1948 in Den Haag / Moskau klar durchsetzen konnte, war er bereits 37 Jahre. Ein Alter, in dem andere in ihrer Leistungsfähigkeit nachzulassen beginnen. Anders Botwinnik, der noch mit Fünfzig den „Magier aus Riga“, Michail Tal, mit einem 13:8 Kantersieg entzauberte. Ein Grund für seinen andauernden Erfolg ist in seiner schon legendären Vorbereitung und seiner Fähigkeit zur tiefen Analyse zu finden. Artur Jussupow hat sich mit den Besonderheiten seines Spielstils auseinandergesetzt. Insbesondere sein Blick für Stellungsparallelen und die
Umsetzung seiner Kenntnisse in der praktischen Partie stellen ihn aus Sicht des amtierenden Deutschen Meisters vor anderen heraus.

Nachdem Botwinnik Anfang der 70er Jahre das praktische Schach aufgab, widmete er sich intensiv der Entwicklung eines Schachcomputers. Er gehört damit zu den Pionieren auf diesem Feld, auch wenn ihm der Erfolg eines wirklich funktionierenden Programmes verwehrt blieb. Die heute 83jährige russische Schachlegende Juri Awerbach war eng mit Botwinnik befreundet und gibt einen Einblick in das späte Wirken des 6. Schachweltmeisters.

Im Porträt berichtet Michael Prusikin über die Schwierigkeiten, die sich der schachlichen Profi-Karriere eines Emigranten in den Weg stellen. Trotz seines großen Talentes hat der in der Ukraine geborene Großmeister erst mit 17 Jahren eine Elozahl bekommen.

Und Michael Ehn und Ernst Strouhal erinnern diesmal an einen der bedeutendsten Schachhistoriker, den 2002 verstorbenen Ricardo Calvo.

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Harry Schaack