Harry Schaack Editorial 2

EDITORIAL

LIEBE LESER,

Schach im Film – das ist vor allem Hollywood. Und Schach im Film – das ist vor allem nicht dasselbe, was der praktizierende Spieler davon erwartet. Allzu oft wird schludrig gearbeitet. Unzählige Male steht das Brett verkehrt herum, sind die Figuren falsch aufgestellt oder wird mit unmöglichen Zugfolgen geprahlt. In einem so populären Medium kann man jedoch wie in kaum einem anderen sehen, wie das Schachspiel konnotiert ist, welche Symbole es bedient, welche Metaphern herangezogen werden, kurz: für was es kulturhistorisch steht.

In unserem Heft werfen wir einen Blick auf Filme, die nicht für ein spezifisches Schachpublikum produziert wurden, sondern für die „Allgemeinheit“. Videos mit Schachlehrmaterial blieben bei unserer Darstellung außen vor. Auch Werbefilme wurden nicht berücksichtigt. Dieser ganze damit zusammenhängende Bereich soll irgendwann einmal Gegenstand eines eigenen Schwerpunktes sein.

Das Schachspiel wird in allen Genres schon seit Beginn der Filmindustrie eingesetzt. Das früheste noch verfügbare Beispiel stammt wohl aus dem Jahr 1903, der Kurzfilm The Chess Dispute. Allerdings soll es laut der Internet Movie Database (www.imdb.com) einen Film von 1899 mit dem Titel A Game of Chess and Kisses geben, der aber scheinbar verloren gegangen ist. Trotzdem gibt dieser Streifen Anlass zu einem Jubiläum, das unser Heft zur rechten Zeit erscheinen lässt: 110 Jahre Schach im Film!

Auch viele Hollywood-Stars haben Schach gespielt, wie man in vorliegendem Heft sehen kann. Schachspieler im Film kommen dagegen eher selten vor. Prominente Beispiele sind der multibegabte Mark Taimanow, der 1937 als Junge in der Hauptrolle in Kontsert Bethovena debütierte, sowie die beiden Weltmeister José Raúl Capablanca und Anatoli Karpow, die es mit zwei kleinen Auftritten in Chess Fever (1925) und Zugzwang (1989) auf die Leinwand schafften.

Für das Thema „Film“ ist das Internet zu einem unentbehrlichen Helfer geworden. Viele Schachszenen bzw. ganze Kurzfilme sind auf YouTube zu finden (auch The Chess Dispute), andere gibt es dagegen selbst in gut sortierten Videotheken nicht mehr. Bei älteren Werken kann manchmal das DIF (www.deutsches-filminstitut.de) in Wiesbaden weiterhelfen, das gegen eine Gebühr von 15 Euro in der Stunde am Schneidetisch auch Privatpersonen die Sichtung der 20.000 Filme erlaubt, die sich im dortigen Archiv befinden.

Ein großes Problem im Filmbereich sind die Abbildungsrechte. Wer sich einmal damit beschäftigt hat, wird ein Lied von den Schwierigkeiten singen können, die damit einhergehen. Oft ist es äußerst mühsam, die richtigen Kontakte zu finden. Nicht selten hat die Firma, die das Recht an einem Standbild erworben hat, nicht das Recht an einem Poster. Leider haben diese Recherche und die Bearbeitungsdauer für die Freigaben unseren Erscheinungstermin um einige Tage verzögert.

Zu diesem Heft hat zum einen das reichhaltige Bildmaterial der Sammlung von Siegfried Tschinkel beigetragen, dem wir herzlich danken. Zum anderen erleichterte das umfängliche Basiswerk Chess in the Movies von Bob Basalla unsere Arbeit erheblich.

Unser Schwerpunkt-Thema erweckt im Moment viel Interesse. Fast zeitgleich mit der Herausgabe unseres Heftes fand Anfang April in Erlangen das dreitägige Symposium „Schwarz-weiße Welten. Schach in Literatur, Kunst und Kultur.“ statt, bei dem es auch um Schach im Film ging.

Wir hoffen, dass unser Heft dem Leser eine gute Orientierung gibt. Aber es bleibt viel Raum für eigene Entdeckungen.

Harry Schaack