GEWOHNT SICHER, UNGEWOHNT AGGRESSIV

Petrosjan als Olympiaspieler

Von Johannes Fischer

(Der Artikel ist folgend auszugsweise wiedergegeben.
Den ganzen Text lesen Sie in KARL 4/09.)

Tirgran Petrosjan
(Foto: Archiv Lothar Schmid)

Die Schacholympiade 1958 in München war etwas Besonderes. Nicht zuletzt deshalb, weil hier zwei spätere Weltmeister und zwei der erfolgreichsten Olympiaspieler aller Zeiten ihr Debüt gaben: Mikhail Tal und Tigran Petrosjan, die Ersatzspieler im sowjetischen Team, feierten einen glanzvollen Einstand und trugen maßgeblich dazu bei, dass die Sowjetunion am Ende mit 5,5 Brettpunkten Vorsprung klarer Sieger wurde. Petrosjan holte 10,5 Punkte aus 13 Partien, Tal 13,5 aus 15. Auch bei späteren Olympiaden erwiesen sich die beiden stilistisch so unterschiedlichen Weltmeister als zuverlässige Stützen ihrer Mannschaften. Berücksichtigt man nur die Spieler, die 50 oder mehr Olympiapartien absolviert haben, dann ist Mikhail Tal prozentual gesehen der erfolgreichste Olympiaspieler aller Zeiten. In acht Olympiaden spielte er 101 Partien, von denen er 65 gewann, 34 Remis spielte und nur 2 verlor. Damit kommt er auf eine prozentuale Ausbeute von 81,2 %. Auf Platz 2 dieser Rangliste folgt Anatoli Karpow, der in 68 Olympiapartien 43 Siege erzielte, 23 Mal Unentschieden spielte und wie Tal lediglich 2 Partien verlor, womit er 80,1 % der möglichen Punkte holte.

Tigran Petrosjan rangiert mit 79,7 % „nur“ auf Rang 3, aber es spricht einiges dafür, dass ihm der Titel des erfolgreichsten Olympiaspielers aller Zeiten gebührt. Petrosjan nahm von 1958 bis 1978 an zehn Olympiaden teil, spielte dabei 129 Partien, von denen er 78 gewann, 50 remisierte und nur eine einzige verlor. Neun Mal holte Petrosjan Gold mit der sowjetischen Mannschaft, ein Mal Silber. Damit liegt er zwar nach Anzahl der Mannschaftsmedaillen knapp hinter dem Jugoslawen Svetozar Gligoric (1 Mal Gold, 6 Mal Silber, 5 Mal Bronze), aber schlägt seine sowjetischen Teamkollegen Smyslow (9 Mal Gold), Kasparow (8 Mal Gold), Tal (ebenfalls 8 Mal Gold) und Keres (7 Mal Gold mit der Sowjetunion, 1 Mal, 1939, Bronze für Estland).

Außerdem gewann Petrosjan sechs Mal die Goldmedaille für das beste Einzelergebnis, wobei er in dieser Rubrik allerdings hinter Kasparow (7 Mal Gold, 2 Mal Silber, 2 Mal Bronze), Smyslow (4,2,2), Tal (5,2,0), Keres (5,1,1) und Kortschnoi (4,0,3) rangiert.

Aber ob Petrosjan nun der beste oder „nur“ einer der besten Olympiaspieler aller Zeiten ist, offensichtlich haben die Olympiaden den Ehrgeiz des sonst so vorsichtigen Petrosjans geweckt. Ging es um olympische Ehren, spielte er aggressiver und unternehmender als sonst und machte weniger oft und weniger schnell Remis. Vielleicht beflügelte ihn das Flair internationaler Mannschaftswettbewerbe, denn auch seine Ergebnisse bei den Mannschafts-Europameisterschaften können sich sehen lassen: Dort gewann Petrosjan von 1957 bis 1983 mit der sowjetischen Mannschaft acht Mal Gold und kam mit 15 Siegen und 37 Remis auf ein Ergebnis von 64,4 Prozent.

Seine erste Olympiade spielte Petrosjan 1958 in München, seine letzte 1978 in Buenos Aires. Schaut man sich die Turnier- und Wettkampfpartien Petrosjans aus dem gleichen Zeitraum an, sieht man, dass er (Olympiaden nicht mitgerechnet) auf 1.064 Partien (349 Siege, 642 Unentschieden, 72 Niederlagen) kommt, was eine Remisquote von 62 % ergibt. 230 dieser 642 Remispartien dauerten dabei nicht länger als 20 Züge. Petrosjans Remisquote bei den Olympiaden liegt hingegen bei 40 %. Ganz abstellen konnte er die Neigung zum Kurzremis allerdings nicht, und 15 seiner 50 Remispartien folgten dem im Schach zweifelhaften Motto „in der Kürze liegt die Würze“.

(Der Artikel ist auszugsweise wiedergegeben.
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