NIVEAUVOLL

Von Harry Schaack

Im Sommer 2007 hat der Schweizer Walter Eigenmann mit seinem Glarean Magazin ein bemerkenswertes Online-Kultur-Journal ins Leben gerufen. Der Name leitet sich von dem Universalgenie und Humanisten der Renaissance Glareanus ab, das mit seinen „Schwerpunkten“ Musik, Dichtung und Mathematik (=Schach) Pate für die drei Hauptthemen der Website steht. Glarean hat sich „thematische Vielfalt und intellektuelle Offenheit, vor allem aber auch die Pflege des Unbotmäßigen, des Abseitigen auf die Fahne geschrieben“, sagt Eigenmann, der früher moderne Lyrik, Kurzprosa und Essayistik verlegte und das viertelmonatliche Literatur-Printmagazin SCRIPTUM herausgab, bevor er sich nun eines modernen Mediums bediente. Und sein Konzept scheint aufzugehen. Der internationale Zuspruch ist nach recht kurzer Zeit schon sehr hoch, wohl auch, weil die Inhalte mindestens viermal wöchentlich aktualisiert werden. Mittlerweile verfügt Glarean durch die rasch entstandene Menge an Material über ein attraktives Angebot an literarischen Texten, musiktheoretischen Darlegungen, Rezensionen sowie vielerlei unterhaltsamer Kultur-Rätsel. Dabei versteht sich Glarean auch als interaktives Medium, das zum Mitmachen und Veröffentlichen eigener Text einlädt. Eigenmann achtet allerdings „dezidiert auf inhaltliche wie sprachliche Qualität aller Beiträge – allein das schon mag das Glarean Magazin aus dem Meer von gleichgültig-lieblos Hingeworfenem und Belanglosem, wie es das Internet ja nur so überschwemmt, ein wenig herausheben“, sagt er.

Im Bereich Schach findet der Leser auf Glarean Berichte über Großereignisse wie die WM, Abhandlungen über Denk-Methoden bis hin zu Schachsatiren. Dabei wird gelegentlich auch Schach mit Musik verbunden. KARL gegenüber erklärt Eigenmann, der früher selbst Turnierspieler war, den Zusammenhang zwischen beiden so: „Auf der persönlich-psychologischen Ebene haben diese beiden kulturellen Ausprägungen zahlreiche Parallelen, und das Wort … Tarraschs, dass das Schach so wie die Liebe und so wie die Musik die Fähigkeit habe, den Menschen glücklich zu machen, trifft das Faszinosum des Schachs ins Herz. Dabei ließen sich zahlreiche Stichworte aufzählen, die theoretische wie „praktische“ Brücken schlagen zwischen den zwei ausgesprochenen Zeit-Künsten Musik und Schach: Kreativität, Mut zum Experiment, Beherrschung des technischen Vokabulars, Geduld für Entwicklungen, hohe Eigenverantwortlichkeit – um nur einige besonders abstrakte zu nennen. Darüber hinaus verbindet Musik und Schach ein psychologisches Phänomen, das ihre Attraktivität wesentlich begründet: Es ist egal, auf welchem … Level diesen Künsten gefrönt wird, immer ist ihr subjektiver Befriedigungsgrad ein extrem hoher. … Das fügt diesen Künsten quasi eine sportliche Dimension hinzu – eine Vereinnahmung des ganzen Menschen, die in anderen Kulturbereichen … nicht in diesem Ausmaß gegeben ist.“

Ein Besuch auf der Seite mit niveauvollem Inhalt lohnt sich – insbesondere nach einem solchen KARL-Schwerpunkt!