Fragebogen an die Verantwortlichen der BL-Vereine

Raimo Vollstädt
(Turm Emsdetten)

Logo der Schachbundesliga

Sie sind…
1. Vorsitzender

Freuen Sie sich auf die kommende Saison?
Ja. Derzeit fehlt mir zwar auf Grund meiner beruflichen Belastung noch ein bischen das nötige Kribbeln, aber das kommt bestimmt.

Woher kommt die Motivation für Ihr Engagement?
Aus Spaß an der Sache, natürlich auch durch die Erfolge unserer Teams. Bei dem Zusammenhalt unserer SpielerInnen kommt viel zurück.

Was macht die BL für Sie attraktiv?
Wir haben eine sehr starke Liga; man kann Topspieler aus nächster Nähe sehen wie bei keiner anderen Sportart. Es besteht ein sehr enger Kontakt zwischen Zuschauern und Spielern. Ganz Emsdetten fiebert mit unserer Frauenmannschaft, als wir Deutscher Meister wurden, war die Reaktion der Öffentlichkeit überwältigend. Daher hoffe ich, dass unsere Männer daran anschliessen können.

Welche Außenwirkung hat die BL, wie wird Sie vom Ausland wahrgenommen?
Sie wird im Ausland über die starken Spieler wahrgenommen, die hier spielen. Bei prominenten Spielern, wie etwa Judit Polgar – um nur eine zu nennen -, gibt es auch Medienmeldungen in ihrem Land, wodurch der betreffende Verein und wiederum die Bundesliga bekannt wird. Nicht zu Unrecht gelten die deutschen Bundesligen als die stärksten weltweit.

Wie wichtig ist die BL für das deutsche Schach?
Wichtig, weil dadurch die Sportart erst in die Öffentlichkeit gelangt. Die 1. BL wird zuerst wahrgenommen. Alles andere (untere Mannschaften, Jugendarbeit, etc.) schließt sich daran an.

Konservativ gerechnet braucht jede Bundesligamannschaft im Schnitt pro Saison einen Etat von ca. 50.000 EUR. Das macht bei 16 Mannschaften einen Gesamtaufwand von ca. 800.000 EUR. Ist sie diese Summe wert?
Ich denke ja. Die Vereine finanzieren sich ja ganz unterschiedlich. Wir in Emsdetten etwa müssen uns das Geld zusammensuchen. Eine mühselige Arbeit, andere Vereine haben Mäzene, andere arbeiten wie wir. Es wird derzeit immer eine Gratwanderung sein. Schach ist keine medienwirksame Sportart. Die Differenzen zwischen der FIDE und den „Privatweltmeisterschaften“ tragen ihren Teil bei, wiederum ist der Versuch gescheitert, Schach olympisch zu machen. Für mich ein unbedingter Schritt, weiter in die Öffentlichkeit zu gelangen. Seien wir doch mal ehrlich, wenn derzeit Sponsor X bei Mannschaft Y den Etat einfriert, muss der Verein das Team abmelden. Uns geht es nicht anders. Man ist auf das Wohlwollen schachbegeisterter Unternehmer angewiesen, die bereit sind, Geld zu investieren. Schach muss Volkssport werden, die Vorteile für die geistige Entwicklung gerade im Kindesalter sind wissenschaftlich nachgewiesen. Das müssen wir publik machen und für uns nutzen. Die nächste Generation hat es dann vielleicht einfacher, denn die Anzahl der Rückzüge in den letzten Jahren sollte uns zu denken geben.

Die einteilige deutsche Bundesliga hat seit ihrer Gründung das gleiche Format: 16 Mannschaften spielen jeder-gegen-jeder, der erste gewinnt, die letzten vier steigen ab. Organisiert wird die BL vom DSB, das notwendige Geld geben Sponsoren oder die Vereine, die auch für die Vermarktung und Präsentation der Liga zuständig sind. Zeit für einen Wechsel der Organisationsform?
Die Meinungen gehen weit auseinander. Ein Modell wie in Holland fände ich gut, wo die besten Vereine ein Playoff austragen. Die Doppelrunden, so wie sie jetzt sind, finde ich nicht schlecht, sie sparen Termine und Kosten. Aber, ein klassisches Gegenbeispiel in unserer Stadt ist: Wir haben einen Handball-Zweitbundesligisten, der hat alle zwei Wochen ein Heimspiel. Da gehen die Leute hin, die Einheimischen können sich mit der Mannschaft identifizieren, auch wenn auswärtige Spieler dort natürlich spielen. Der Unterschied ist, diese sind ständig präsent, da sie in der Stadt wohnen und arbeiten (in diesem Beispiel Handball spielen müsen). Wir haben mit Glück zwei Heimspiele in der ganzen Saison, es bedarf unheimlich höherem Aufwand, die Menschen dorthin zu bringen. Die Identifikation als Emsdettener Mannschaft, wenn man das ganze Jahr praktisch nicht da ist, ist schwierig herzustellen. Die Leute lesen es zwar in der Zeitung – und wir machen gute Berichte – doch die Mannschaft ist kaum vor Ort präsent.
Gegenargument: Ein Rundenmodell mit Hin- und Rückspielen lässt sich wohl wegen der Zeit- und Organisationsprobleme nicht durchsetzen. Da gibt es zu viele Terminüberschneidungen. Aber die Medienpräsenz für die einzelnen Vereine wäre natürlich deutlich besser. Wir stehen an einem Scheideweg, das wird sicher eine der wichtigsten Fragen für die Zukunft sein.

Was sind Ihre Zukunftsvisionen für die BL?
Eine attraktive Liga durch neue Ansätze, wie jetzt durch das Internetportal. Bessere Marketingarbeit, wobei vor allem die Vereine selbst mehr tun müssen. Es muss zu einer ordentlichen Gesamtpräsentation kommen.

Häufig hört man, dass zu viele Ausländer in der BL spielen. Dadurch ginge die Bindung der Durchschnittsspieler an die Vereine verloren und zudem würde der Nachwuchs der Chance beraubt, sich in der BL zu profilieren. Das deutsche Schach profitiere immer weniger von der BL. Besteht die Notwendigkeit, die Ausländerregelung in der BL zu ändern?
Ja. Jeder Verein muss selbst wissen, was er tut. Sanktionierungen halte ich für sinnlos. Man muss die Ausländerregelung ganz aufheben und nicht die EU-Spieler bevorteilen. Daran wird nichts ändern, ob ein Verein z.Bsp. Jugendarbeit machen will oder nicht. Die Kosten werden eher sinken. Und deutsche Talente werden sich genauso gut durchsetzen. Ich kann nur ein Beispiel aus unserem Verein nennen. Christian Richter, in unserer Zweitligamannschaft auf Rang 10 gemeldet – aber Stammspieler – mit der absolut schlechtesten ELO-Zahl des Teams, machte 7,5 aus 8. Selbst unsere Grossmeister wollten nicht mehr ohne Christian spielen. Er kam zu uns vor fünf oder sechs Jahren als Nachwuchstalent, spielte in der Jugendmannschaft (damals NRW-Jugendliga) das erste Brett und bekam auch in der 1. Seniorenmannschaft seine Chance. Er hat beständig an sich gearbeitet, und die erwähnten Resultate sind das Ergebins. Es liegt an den Spielern selbst wie sie sich empfehlen.

Nach welchen Gesichtspunkten wählen Sie die Spieler Ihre Mannschaft aus? Spielt Teamgeist in der BL eine Rolle?
Für uns ist das der wichtigste Punkt. Die meisten Spieler sind schon lange bei uns. Unser Team setzt sich zum großen Teil aus Holländern und Dänen zusammen. Nach Holland hatten wir auf Grund der geographischen Lage schon jeher gute Kontakte. Und bei einer Veranstaltung bei uns lernten wir „unsere“ Dänen kennen, die halt geblieben sind.
Teamgeist ist extrem wichtig, nicht nur für uns als Verein sondern auch für unsere Spieler selbst.

Oft werden die geringen Zuschauerzahlen und die mangelnde Medienpräsenz der BL beklagt. Die BL betreibe zu wenig Marketing. Hätten Sie Vorschläge zur Verbesserung der Präsentation der BL?
Eine gute Präsentation der Vereine ist bei Heimspielen schon alleine wegen des Sponsors notwendig. Der Sponsor gibt Geld und bekommt dafür Öffentlichkeit. Daher ist gute Öffentlichkeitsarbeit eigentlich für fast jeden Verein unabdinglich. Wir veranstalten bei Heimspielen ein umfangreiches Rahmenprogramm. Da ist der ganze Ort auf den Beinen.

Wilfried Klimek, der Geschäftsführer der Galaxy AG, dem Sponsor von Lübeck, traut der BL mit einer ansprechenden Technik und dem entsprechenden Marketing via Internet pro Kampf Zuschauerzahlen von 400.000 zu. Wie sehen Sie das?
Glaube ich – noch – nicht. Erst müssen die Rahmenbedingungen geschaffen werden. Immerhin hatten wir in Emsdetten bei den Entscheidungsspielen in der Frauen-BL schon etwa 10000 Hits. Ich finde es wichtig, Live-Übertragungen anzubieten, um die Medienpräsenz zu erhöhen.

In letzter Zeit mehren sich die Stimmen, die BL werde zunehmend seelenlos, die Bindung der Fans und Spieler an die Vereine gehe verloren. Wie sehen Sie das?
Bei unseren Heimspielen ist der ganze Verein eingespannt. Die Mitglieder stellen auch die Übernachtungen für unsere Spieler. Der Verein trägt die 1. Mannschaften voll. Unsere BundesligaspielerInnen wiederum identifizieren sich mit unserem Verein.

Ihr schönstes BL-Erlebnis?
Von der Herren-BL kann ich noch nicht reden. Aber sicher die Meisterschaft unserer Frauen. Einer unserer ältesten Vereinsmitglieder hat danach den ganzen Verein spontan in seine Gartenlaube eingeladen, wo wir dann feierten. Die Meisterschaft war schon eine große Belohnung für die Arbeit, die wir da rein gesteckt haben.

Und das „schlimmste“?
Ebenfalls der Kampf um die DM gegen Dresden. Die Dresdner benahmen sich ziemlich daneben, Spieler wie Betreuer. Sogar unser Bürgermeister wurde von einer Dresdner Spielerin angeschrieen, das waren sehr unschöne Momente.

Die drei herausragendsten BL-Spieler?
Keinen besonderen. Es sind die Spieler, bei denen die Mannschaft an erster Stelle steht.

Und noch ein Tipp für die kommende Saison: Wer gewinnt dieses Jahr?
Lübeck

Und wer steigt ab?
Als Aufsteiger sollte man mit Abstiegsprognosen vorsichtig sein. Vielleicht Forchheim, Godesberg, und das Duo Plauen und Erfurt, da sie das Handycap haben, immer zusammen zu reisen.

Was sind Ihre eigenen Ziele und Erwartungen?
Wir wollen den Klassenerhalt möglichst bald sichern. Ein Problem sehe ich darin, dass sich unsere Mannschaft erst mal an das Verlieren gewöhnen muss. In den letzten drei Jahren haben wir nur einmal verloren. Da muss man sehen, wie die Mannschaft das wegsteckt.