HOCH HINAUS

Der Künstler Stefan Albrecht
und sein Großschachprojekt für die Olympiade 2008 in Dresden

Von Harry Schaack

Großschachfigur des Künstlers Stefan Albrecht
(Foto: Stefan Albrecht)

Freiluftschach der besonderen Art: Ein Spiel mit haushohen Figuren, aufgestellt auf einem Feld, so groß wie ein Marktplatz. Kräne hieven die tonnenschweren Steine über das Brett, langsam, von einem Feld zum anderen. Eine wahrhaft imposante Veranschaulichung menschlicher Ideenfindung.

So könnte es aussehen, wenn Ende nächsten Jahres in Dresden die Olympiade stattfindet. Es wären Schachpartien der opulenten Art, die dem barocken Elbflorenz gut zu Gesicht stehen würden. Jedenfalls wenn es nach dem Bildhauer Stefan Albrecht geht.

Seit 20 Jahre betreibt der gebürtige Rostocker die Bildhauerei. Er ist Autodidakt. Sein Werk umfasst ganz unterschiedliche Arbeiten. Teils sind sie aus Stein und Holz, teils in Stahl und Kupfer gefertigt. „Ganz verschiedene Sachen“, wie er sagt. Von Großskulpturen bis zum Spielzeug hat in seinem Oeuvre alles Platz.

Albrecht kommt in der DDR zur Kunst. Nach dem Abitur will er studieren. Doch er ist nicht linientreu, bekommt politische Probleme und aus dem Studium wird nichts. Er macht allerlei Dinge, vom Psychiatriediakon bis zum Korbmacher. Kurz vor der Wende entdeckt er die Bildhauerei. Das geht in der DDR zunächst nur „schwarz“, doch der Verkauf, unter der Hand, ist rentabel. Nach der Wende macht er sich als freier Künstler selbständig. Nicht einfach in diesem Geschäft, wenn man bei Null anfangen muss. Doch er etabliert sich schnell. Neben seinem künstlerischen Werk findet er mit dem Bau von Skulpturen ein zweites Standbein. Er gestaltet Großplastiken, Dinosaurier und Fabelwesen, die Spielplätze in Märchenlandschaften verwandeln oder als Theaterrequisiten Verwendung finden. Eine Nische, die er fast konkurrenzlos betreibt. Künstlerisch arbeitet er zunächst nur in Holz und fertigt ausschließlich figürliche Bildwerke. Seit 1993 beschäftigt er sich auch mit Stahl und baut kinetische Objekte. Jean Tinguely ist eines seiner Vorbilder. Inzwischen hat er etliche Werke im öffentlichen Raum und in zahlreichen Ausstellungen präsentiert. Und seit 1995 ist er Vorsitzender des Schweriner Kunstvereins „Das Querschiff e.V.“

Auf das Sujet Schach kommt der 45-Jährige eher zufällig. Er ist Hobbyspieler, laienhaft, nicht organisiert. Zusammen mit einem Kollegen überlegt er sich anlässlich des Schweriner Kultursommers 2005 ein Projekt mit Schachfiguren. Ihre Idee kommt gut an und wird gefördert. Daraufhin arbeiten beide ein dreiviertel Jahr in seiner Werkstatt. Die Figuren sind riesig. Der Turm ist 4,5 Meter hoch und wiegt 1,5 Tonnen. Über die ganze Innenstadt verteilen sie insgesamt 14 große Skulpturen. Nicht zufällig, sondern in überdimensionalen Abmessungen stellen sie ein Schachproblem nach. Um alle Figuren zu sehen, müssen die Besucher durch die Stadt laufen. An jeder Plastik ist gekennzeichnet, auf welchem Spielfeld sie steht. Die lokale Zeitung fordert dazu auf, die gewaltigen Abmessungen auf das Schachbrett herunterzubrechen und die Lösung des so rekonstruierten Schachproblems einzusenden. Als Gag endete die Partie Remis. Diejenigen, die das Ergebnis finden, erhalten eine Miniaturfigur.

Nach seinen positiven Erfahrungen in Schwerin will Albrecht nun noch höher hinaus: Für die Olympiade 2008 in Dresden plant er ein Großprojekt mit 32 Figuren. Da die Skulpturen auch eigenständige Kunstwerke sind, wäre Albrechts Konzept eine Werbung, die nicht nur Schachspieler, sondern die gesamte Bevölkerung und Touristen auf die Olympiade in Dresden aufmerksam machen würde.

Mit seiner künstlerischen Umsetzung versucht Albrecht die Eigenschaften der Spielfiguren in menschliche Charaktere zu überführen. Beim Schweriner Spiel ist der König eine Figur, die in sich gefangen scheint. Ein alter, feiger Mann, der beschützend über seine Kugel geneigt ist und krampfhaft versucht, an seiner Macht festzuhalten. Oder die Dame: eine tanzende Salome, deren Waffen nicht Streitaxt und Schwert, sondern List und Einfallsreichtum sind. In dieser Art plant Albrecht auch die Gestaltung der Dresdner Figuren.

Wenn alles gut geht, werden die Figuren von Sommer an bis zum Ende der Olympiade in der sächsischen Metropole stehen. Ständige Aktionen sollen auf das Großereignis vorbereiten und durch die Veranstaltung begleiten. In der Innenstadt sollen Schaupartien mit Kränen, die die sperrigen Plastiken bewegen werden, stattfinden. Es wäre ein riesiges Spektakel – im wahrsten Sinn des Wortes.

Bislang fehlt es aber noch an der Finanzierung dieses Mammutprojekts. Schon vor zwei Jahren setzte sich Albrecht mit den Verantwortlichen in Dresden in Verbindung, doch bislang war das Organisationskomitee nicht fähig, Sponsoren zu finden. Erstaunlich bei einem so attraktiven Konzept. Aber in Dresden scheint die ganze Veranstaltung von einem gewaltigen finanziellen Loch überschattet. So kümmert sich der Künstler nun selbst um die Geldgeber. Zwei haben sich schon eingefunden, aber das reicht bei weitem nicht. Bei Spenden ab 7000,- Euro bedankt sich der Künstler in besonderer Form – mit einer Figur aus dem Schachspiel.

Es wäre schön, wenn sich dieses publikumswirksame Projekt verwirklichen ließe. Wer an Spenden und weiteren Informationen interessiert ist, kann sich direkt an den Künstler wenden: Stefan Albrecht, Dorfstr. 13, 18249 Eickhof, Tel & Fax: 03 84 62 – 2 84 62, S.H.Albrecht@t-online.de