DAS ZEUG ZUM KLASSIKER

ZWEI PARTIENSAMMLUNGEN

Von Johannes Fischer

Nunn Grandmaster Chess Cover

John Nunn,
Grandmaster Chess
Move by Move,
Gambit 2005,
288 Seiten, kartoniert,
24,95 Euro

(Das Belegexemplar wurde  freundlicherweise von der Firma Niggemann zur Verfügung gestellt.)
Gelfand meine besten Partien Cover

Boris Gelfand,
Meine besten Partien,
Olms 2005,
272 Seiten, kartoniert,
19,95 Euro

(Das Belegexemplar wurde  freundlicherweise von der Firma Niggemann zur Verfügung gestellt.)

Viele Partiensammlungen guter Spieler sind bereits Klassiker und auch John Nunns Grandmaster Chess Move by Move und Boris Gelfands Meine besten Partien haben das Zeug dazu. Nunn gilt zu Recht als einer der besten und produktivsten Schachbuchautoren und auch in seinem dritten Buch mit ausgewählten eigenen Partien wird er diesem Ruf gerecht. Das erste dieser Bücher war Secrets of Grandmaster Chess, das Nunn 1987 zusammen mit Peter Griffiths auf den Markt brachte und 1997 überarbeitet und erweitert als alleiniger Autor unter dem gleichen Titel noch einmal veröffentlichte. Während Secrets of Grandmaster Chess Partien aus den Jahren 1955-1985 behandelte, deckte das 1994 erschienene John Nunn’s Best Games die Jahre 1985 bis 1993 ab. In Grandmaster Chess analysiert Nunn nun 46 Partien aus den Jahren 1993 bis 2003. Wie Nunns vorherige Partiesammlungen ist dieses Buch intelligent und mit Witz geschrieben und verbindet pointierte Analysen mit Einblicken in das Leben als Schachprofi. Mittlerweile hat sich Nunn vom Turnierschach zurückgezogen und arbeitet vor allem als Autor und Verleger. Zusammen mit Murray Chandler und Graham Burgess betreibt er den Gambit-Verlag, der in den letzten Jahren zahlreiche ausgezeichnete Schachbücher herausgebracht hat. Dieses Insiderwissen macht den hier veröffentlichten Aufsatz „Chess Publishing and the Batsford Story“ besonders aufschlussreich. Nunn verrät die Gründe für den Niedergang des Schachbuchverlegers Batsford und wirft aus der Perspektive des Autors und des Buchverlegers einen Blick auf Entstehung, Preisgestaltung, Autorenhonorar und Vertrieb von Schachbüchern.

Lesenswert ist auch Nunns Meinung zum Zustand der heutigen Schachwelt. Er kritisiert die neue Fide-Bedenkzeit, erläutert, warum es sich für viele talentierte Spieler nicht lohnt, Profi zu werden, weist auf organisatorische Missstände in der heutigen Schachwelt hin, und erklärt, warum das Internetschach und die Schachbegeisterung vieler Jugendlicher Zukunftschancen bieten.

Ein weiteres Kapitel des Buches widmet sich Problemen und Studien. Tatsächlich ist Nunn neben dem Engländer Jonathan Mestel und dem Israeli Ram Soffer der einzige Großmeister im Nahschach, der auch den Großmeistertitel im Problemlösen besitzt und 2004 brachte er es in dieser Disziplin sogar zum Weltmeister. In Grandmaster Chess zeigt er jetzt mit 25 Studien und 18 Problemen sein Können als Komponist.

All das macht Grandmaster Chess zu einem lehrreichen, unterhaltsamen, rundherum ausgezeichneten Schachbuch.

Im Gegensatz zu John Nunn ist Boris Gelfand als Autor Anfänger. Warum sein Debüt jeden Schachfan freuen sollte, erläutert Dirk Poldauf in seiner Übersicht über Gelfands Schachkarriere, die dem Buch vorangestellt ist: „[Gelfand] ist binnen fünfzehn Jahren zu einer prägenden Figur der internationalen Schachszene herangereift und war der fünfte Spieler, der die Schallmauer von 2700 Elopunkten überwinden konnte. Nur eine Handvoll Klasseleute kann in einer Zeitspanne von 1990 bis heute auf eine größere Zahl von ersten Plätzen bei bedeutenden internationalen Turnieren verweisen. Boris Gelfand hat die Schachwelt um … viele hervorragende Partien bereichert … ist und bleibt ein Vertreter und Verfechter des klassischen Schachs und befindet sich als solcher auf dem Wege zu einem Klassiker.“

Dann präsentiert der im weißrussischen Minsk geborene und jetzt im israelischen Rishon-Le-Zion lebende Großmeister 51 der interessantesten Partien seiner Laufbahn, jeweils ergänzt durch eine kurze Charakterisierung seines Gegners oder der Bedeutung der Partie. Gelfand genießt einen Ruf als ausgezeichneter Theoretiker und seine Großmeisterkollegen bewundern Gelfands Fähigkeit zu logischem und doch aggressivem Positionsspiel und es ist gerade diese innere Logik seiner Partien, die Gelfand durch seine Analysen enthüllt.

Den Auftakt machen sieben Partien Gelfands mit seiner Lieblingsvariante – Grünfeldindisch mit Sf3 und 8.Tb1 – dann folgen 44 chronologisch geordnete Partien mit Höhepunkten aus Gelfands Laufbahn und eine Auswahl von 22 Kombinationen. 16 Endspielfragmente Gelfands bilden schließlich den Abschluss des Buches.

Empfehlenswert sind beide Bücher. Will oder muss man sich für eines entscheiden, gibt vielleicht der Geschmack und/oder das Eröffnungsrepertoire den Ausschlag. Gelfand ist 1.d4-Spieler und spielt eher positionell, Nunn ist 1.e4-Spieler und spielt eher taktisch. Aber egal, für welches Buch man sich entscheidet: Fehlgreifen kann man nicht.