Fragebogen an die Verantwortlichen der BL-Vereine

Dr. Till Schelz-Brandenburg
(Werder Bremen)

Logo der Schachbundesliga

Sie sind…
Abteilungsvorsitzender Schachsport im SV Werder Bremen.

Freuen Sie sich auf die kommende Saison?
Ja! Ein belebendes Element ist dieses Jahr unser neuer Reisepartner Emsdetten. (In den letzten 5 Jahren haben sich unsere Partnermannschaften immer abgewechselt, weil die meisten wieder abgestiegen sind.) Mit Raimo Vollstädt verstehe ich mich gut und die wollen auch einiges bei Ihren Heimspielen machen – so wie wir auch.

Woher kommt die Motivation für Ihr Engagement?
Am Schach begeistert mich die gesellschaftlich-soziale Komponente. Es gibt nur wenig Sportarten, wo Alt und Jung so zusammenkommen. Bei meinem Arbeitspensum von bis zu 40 ehrenamtliche Stunden in der Woche muss auch eine menschliche Rückmeldung da sein. Allerdings überlegen wir, ob man nicht für diesen Job eine semiprofessionelle feste Stelle einrichten sollte.

Was macht die BL für Sie attraktiv?
Dass die Weltspitze bei uns spielt und Schach auf höchstem Niveau gezeigt wird. Spitzensport im besten Sinne. Allerdings kann man auch die negativen Seiten nennen. Viele Sponsoren richten ihr Augenmerk nur auf die Elozahlen und vernachlässigen Investitionen etwa für Spielbedingungen.

Welche Außenwirkung hat die BL, wie wird Sie im Ausland wahrgenommen?
Das kommt auf das Land an. In Tschechien z.B. werden die Ergebnisse unseres Spitzenspielers Hracek mit großem Interesse verfolgt. Es hängt wohl immer davon ab, ob ein Landsmann in unserer Liga spielt. Dementsprechend ist das Interesse höher. Wenn Ponomarjow hier spielen würde, wären wohl seitenfüllende Artikel in den Zeitungen der Ukraine zu finden.

Wie wichtig ist die BL für das deutsche Schach?
Ich denke, die BL kann die Massen begeistern und mittelbar Motor für den Breitensport sein. Dazu müsste allerdings noch das von mir präferierte Konzept des im Verein integrierten GMs besser umgesetzt werden. Ich wünsche mir Spitzenspieler, die sich durch Training, Vorträge oder Artikel in der Vereinszeitung in den Verein einbringen, um Nähe herzustellen.

Konservativ gerechnet braucht jede Bundesligamannschaft im Schnitt pro Saison einen Etat von ca. 50.000 EUR. Das macht bei 16 Mannschaften einen Gesamtaufwand von ca. 800.000 EUR. Ist sie diese Summe wert?
Zunächst einmal muss man zwischen den fixen und den variablen Kosten unterscheiden. Die Fixkosten fressen von Haus aus 35% des Budgets (Übernachtung, Anfahrt etc.). Aber das ist für eine nationale Meisterschaft völlig in Ordnung. Bei den Spielerkosten lässt sich natürlich streiten, doch ich denke, es wäre besser, wenn man – bei dem meist geringen Gehalt – Spieler für etwas höhere Kosten fest im Verein anstellt.
Wenn man bedenkt, dass der DSB einen kaum höheren Etat hat, und wenn man sieht wie wenig er bewirkt, denke ich, die Summe ist gerechtfertigt.

Die einteilige deutsche Bundesliga hat seit ihrer Gründung das gleiche Format: 16 Mannschaften spielen jeder-gegen-jeder, der erste gewinnt, die letzten vier steigen ab. Organisiert wird die BL vom DSB, das notwendige Geld geben Sponsoren oder die Vereine, die auch für die Vermarktung und Präsentation der Liga zuständig sind. Zeit für einen Wechsel der Organisationsform?
In den letzten anderthalb Jahren hat sich eine Menge getan. Wir sind mittlerweile weitgehend autonom. Zwar unter dem Dach des DSB (nach dem Vorbild der Fußballbundesliga, die ja auch noch ein Teil des DFB ist), aber mit eigener Satzung, TO, Bundesliga-Ausschuss. Wir können uns jetzt selbst vermarkten, das Regelwerk festlegen usw. Auch bei den BL-Treffs, bei denen früher allenfalls 8 Vereine vertreten waren, kommen mittlerweile 14 Vertreter zusammen.
Ich bin recht zufrieden mit dem vorerst Erreichten. Eine völlige Autonomie wie etwa beim Eishockey halte ich für schwierig. Wir hätten einen riesigen Organisationsaufwand durch Europapokal, Schiedsrichter etc. Außerdem besteht die Gefahr, dass die Jugendarbeit darunter leidet, wie man das bei der Eishockeyliga sehen kann.

Was sind Ihre Zukunftsvisionen für die BL?
Reduzierung auf 12 Vereine, Rundenspiele, Hin und Rückspiele. Dadurch würde die lokale Pressewirkung eine ganz andere sein. Heute haben wir allenfalls zwei Heimspiele im Abstand von 4 Monaten. Da ist Präsenz in der öffentlichen Wahrnehmung schwer zu erzielen.

Häufig hört man, dass zu viele Ausländer in der BL spielen. Dadurch ginge die Bindung der Durchschnittsspieler an die Vereine verloren und zudem würde der Nachwuchs der Chance beraubt, sich in der BL zu profilieren. Das deutsche Schach profitiere immer weniger von der BL. Besteht die Notwendigkeit, die Ausländerregelung in der BL zu ändern?
Ich sehe eher eine Notwendigkeit, in Deutschland die Talente gezielt zu fördern. Die Spieler muss man eben zu Profis machen, in dem der Verein ihnen die Hälfte des Lebensunterhaltes zahlt. Dann sind die Perspektiven auch besser und erstrebenswerter.
Meinetwegen können nur Ausländer hier spielen. Letztlich unterliegt auch die BL Marktgesetzen.

Nach welchen Gesichtspunkten wählen Sie die Spieler Ihre Mannschaft aus? Spielt Teamgeist in der BL eine Rolle?
BL ist Mannschaftssport und Teamgeist spielt eine wesentliche Rolle. Die Spieler sagen mir selbst, es sei für sie etwas anderes, in einem Team zu spielen, als bei einem Turnier. Unsere Spieler bereiten sich auch gemeinsam auf den Kampf vor. Da muss die Chemie stimmen. Daher suchen wir immer neue Spieler nach Rücksprache mit dem Team aus.

Oft werden die geringen Zuschauerzahlen und die mangelnde Medienpräsenz der BL beklagt. Die BL betreibe zu wenig Marketing. Hätten Sie Vorschläge zur Verbesserung der Präsentation der BL?
Wir haben hierzu bei Werder schon einige Ansätze. Z.B. gibt es in Bremen einen Offenen Kanal, in dem Werder regelmäßige Beiträge ausstrahlt. Unter anderem auch Schach. Auch längere Beiträge – bis zu zehn Minuten. Man muss Schach interessanter vermarkten, als das im WDR bei Pfleger und Co geschieht. Jemand wie Deutschmann würde bei einer Kommentierung sicher auch ein jüngeres Publikum erreichen und es wäre auch amüsant.
Im Übrigen finde ich die Bestrebungen der FIDE, die Bedenkzeit zu verkürzen, absolut kontraproduktiv. Damit erreicht man eben keine Popularisierung, sondern kann aufgrund der mangelnden Zeit Außenstehenden durch Erläuterungen überhaupt keinen Zugang mehr zur Stellung verschaffen.

Winfried M. Klimek, der Vorstandvorsitzende der galaxis technology ag, traut der BL mit einer ansprechenden Technik und dem entsprechenden Marketing via Internet pro Kampf Zuschauerzahlen von 400.000 zu. Wie sehen Sie das?
Als wir in Bremen die DM austrugen hatten wir Zugriffsraten von 15-25000 pro Tag. Das war nach Experten-Meinung schon sehr viel. Ich bezweifle ein wenig, dass sich diese Zahlen erreichen lassen. Vielmehr sehe ich das Internet als mittelbares Medium, das eine transmittierende Wirkung haben könnte. Es könnte unseren Bekanntheitsgrad steigern und uns später auch vielleicht einmal den Stellenwert geben, den andere, besser wahrgenommene Randsportarten haben.

In letzter Zeit mehren sich die Stimmen, die BL werde zunehmend seelenlos, die Bindung der Fans und Spieler an die Vereine gehe verloren. Wie sehen Sie das?
Lokale Anbindung der Vereine muss gestärkt werden durch neuen Rundenmodus und Professionalisierung durch Anstellung der Spieler.

Ihr schönstes BL-Erlebnis?
Das war letztes Jahr, als wir Lübeck in der Schlussrunde den einzigen Punkt abnahmen. Zuvor sprachen wir die Drohung aus, dass wir nur zur Europameisterschaft fahren, wenn wir vierter werden. Und witziger Weise holte Luke McShane gerade gegen den „Fussballer“ Agdestein den entscheidenden Punkt für Werder.

Und das „schlimmste“?
CD Meyer wurde einmal Opfer der elektronischen Uhren, als diese gerade eingeführt wurden. Er stand total auf Gewinn und ließ im 39. Zug seelenruhig seine Zeit ablaufen, da er dachte, die Uhr würde nach Ablauf noch die letzten 30 Sekunden anzeigen. Es war aber die halbe Stunde, die man nach dem 40. Zug dazu bekam. So ging dann auch der Kampf knapp verloren.

Die drei herausragendsten BL-Spieler?
Hübner, wegen seiner großen Konsequenz in der Lebensorganisation und seines ungeheuren Kampfgeistes.
Waganjan, wegen seiner Zähigkeit, mit der er auch total ausgeglichene Stellungen noch zum Erfolg führt.
Knaak, wegen seines extrem aggressiven Spiels und weil er menschlich für unseren Verein außerordentlich wichtig ist.

Und noch ein Tipp für die kommende Saison: Wer gewinnt dieses Jahr?
Ich denke, es wird wieder ein Zweikampf zwischen Porz und Lübeck.

Und wer steigt ab?
Zwei stehen meines Erachtens fest: Forchheim und Godesberg. Bei den anderen wird es sehr schwierig. Das kann sogar uns noch erwischen. Sicher wird es Plauen nach dem Abgang von Bönsch schwer haben. Den vierten kann ich nicht benennen.