SCHACHPUBLIZIST ROBERT HÜBNER:
EINE KURZE WÜRDIGUNG

Von Johannes Fischer

(Der Artikel ist folgend auszugsweise wiedergegeben.
Den ganzen Text lesen Sie in KARL 1/11.)

Robert Hübner
(Foto: Harry Schaack)

Der beste Spieler Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg ist zweifellos Robert Hübner. Geboren am 6. November 1948 in Köln qualifizierte er sich bereits mit Anfang 20 durch seinen geteilten zweiten Platz beim Interzonenturnier in Palma de Mallorca fürs Kandidatenturnier und etablierte sich in der Weltspitze. Insgesamt nahm Hübner, der 1976 in Köln als Papyrologe promoviert hat, vier Mal am Kandidatenturnier teil und 1980 lag er in der Weltrangliste auf Rang Drei. Darüber hinaus erzielte Hübner zahlreiche Erfolge bei nationalen und internationalen Einzel- und Mannschaftswettbewerben und war jahrelang die unangefochtene Nummer Eins in Deutschland. Mit einer aktuellen Elo-Zahl von 2593 Punkten gehört er immer noch zu den zehn besten deutschen Spielern.

Doch nicht nur Hübners praktische Erfolge, sondern auch seine schachpublizistischen Leistungen sind außergewöhnlich. Sein erstes Buch veröffentlichte der Kölner Großmeister 1990. Es trug den Titel Fünfundfünfzig feiste Fehler, beruhte auf einer Kolumne in der Zeitschrift Prisma und führte dem Leser fünfundfünfzig mehr oder weniger drastische Fehler vor, die Hübner im Laufe seiner Karriere unterlaufen waren. „Feist“ hätte sie außer dem Autor allerdings kaum einer genannt. 1996 folgte Twenty-five Annotated Games, eine Sammlung von 25 seiner eigenen Partien, die Hübner ausführlich, gründlich und selbstkritisch analysierte, die jedoch in Bezug auf Informationen über Gegner oder Umstände der jeweiligen Partien recht karg und schmucklos gestaltet waren. Es folgten Betrachtungen zu den Werken Aljechins, die auf einer ChessBase-Monographie über Aljechin veröffentlicht wurden, sowie eine Untersuchung von Fischers 60 Denkwürdigen Partien, die erst als ChessBase-DVD und dann 2004 um zusätzliches Material ergänzt unter dem Titel Materialien zu Fischers Partien als Buch erschien. 2008 veröffentlichte Hübner seine Betrachtungen zum Weltmeisterschaftskampf Lasker – Steinitz 1894 und ein Jahr später, 2009, äußerte er sich in Emanuel Lasker: Denker, Weltenbürger, Schachweltmeister „Zu den Anfängen von Laskers Schachlaufbahn“. Dazu kommen zahlreiche Aufsätze, die Hübner in unterschiedlichen Schachzeitschriften veröffentlicht hat, darunter die Kolumne „Abfall“ im ChessBase Magazin.

Herausragendes Merkmal der Arbeiten Hübners waren immer beinah ausufernd gründliche Analysen, in denen er die Details und Feinheiten der jeweiligen Partie akribischer erforschte als jeder andere, nicht selten über zwanzig Seiten und mehr. In seinen späteren Texten ergänzte Hübner diese Analysen vermehrt um schachhistorische Betrachtungen und widmete den Umständen der von ihm betrachteten Partien stärkere Beachtung. Es sind vor allem diese schachhistorischen Arbeiten, in denen Hübners publizistische Fähigkeiten glanzvoll zur Geltung kommen. Hier gehen Hübners schachliches Können, seine wissenschaftliche Akribie, seine umfassende Bildung und seine literarischen Fähigkeiten eine wunderbare Synthese ein. Diese Arbeiten überzeugen durch Material- und Detailfülle, Sachlichkeit, Klarheit, Präzision und wissenschaftliche Sorgfalt, die sich nicht zuletzt in den zahlreichen Fußnoten zeigt. Dazu kommt die klare Struktur der Texte und Hübners brillante, lebhafte, gelegentlich mit feinem Humor oder beißender Polemik gewürzte Art der Darstellung.

Allerdings macht es Hübner sich und seinen Lesern nicht leicht. Rigoros verweigert er sich Mythenbildung und der unkritischen Akzeptanz gängiger „Wahrheiten“ und plädiert stattdessen für die konkrete Betrachtung jedes einzelnen Spielers im Kontext seiner Zeit. Das bekannteste Beispiel dafür ist wohl Hübners Kritik an der These von Laskers angeblicher psychologischer Spielweise: „[Sie] wurde in der Hauptsache von Tarrasch und Réti aufgebracht. Sie beruht auf Unterschätzung von Laskers schachlichem Können, zeugt von Unverständnis für die Güte seiner strukturellen Erfassung von Stellungsproblemen und ist aus einer uneingestandenen Geringschätzung geboren. Sie hat bewirkt, daß dem Schachkönnen Laskers bis heute nicht die gebührende Aufmerksamkeit gewidmet worden ist. Man hatte nun ein bequemes Etikett, das man der Person Lasker aufkleben konnte; es enthebt den Forscher der Notwendigkeit, feinere Beobachtungen durchzuführen.“ (Robert Hübner, Laskers „psychologische Spielweise“, Emanuel Lasker: Homo ludens – homo politicus. Beiträge über sein Leben und Werk, herausgegeben von E. Vera-Kotowski, S. Poldauf, Paul Werner Wagner, Verlag für Berlin-Brandenburg, Potsdam 2003, S. 160).

Diese „feineren Beobachtungen“ hat Hübner dann selber durchgeführt. Wie viel Hübner vom schachlichen Können Laskers hält, verrät er in „Zu den Anfängen von Laskers Schachlaufbahn“ in einem in der Mitte des Textes gut versteckten kurzen Absatz. Hübner schreibt: „Stets ist es das Kennzeichen der allergrößten Spieler gewesen, neue Stellungsmuster aufzuspüren, die vorher nicht bekannt waren, aber doch gute Möglichkeiten in sich bargen, sei es im positionellen oder taktischen Bereich; und ich meine, dass Lasker darin fruchtbarer war als sonst je ein Spieler.“ (S. 452) Das kann man eigentlich nur so verstehen, dass Hübner Lasker für einen der stärksten, wenn nicht den stärksten Spieler aller Zeiten hält.

(Der Artikel ist auszugsweise wiedergegeben.
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