VIRTUELLE PRÄSENZ

Ein Interview mit Étienne Bacrot über seine Internetseite

Von Harry Schaack

Internetseite von Etienne Bacrot

Einst war Etienne Bacrot mit 14 Jahren jüngster Großmeister der Welt. Um seine große Fangemeinde besser auf dem Laufenden halten zu können, betreibt der mittlerweile 25-Jährige seit letztem Sommer eine sehr interessante zweisprachige Website. Sie enthält ungewöhnlich viel Material und ist stets aktuell. Bacrot kommentiert nicht nur ausführlich seine eigenen Partien. Viele Beiträge beschäftigen sich mit aktuellen Turnieren der Weltklasse.

Darüber hinaus stellt er die wichtigsten Neuerungen vor und bietet regelmäßig Taktikaufgaben. Von Zeit zu Zeit gibt er kurze Monatsrückblicke, die seine Leistungen resümieren und bewerten, sowie Ausblicke auf seine künftigen Vorhaben. Ferner haben die Besucher auf www.chess22.fr [Mittlerweile inaktiv; Die Red.] die Möglichkeit, eine Online-Partie gegen den besten französischen Schachspieler zu spielen. Am Rande des Turniers in Wijk aan Zee im Januar hatten wir Gelegenheit, mit ihm darüber zu sprechen.

 

KARL: Was waren Ihre Beweggründe, eine so aufwendige Website ins Leben zu rufen?
BACROT: Zu erst einmal wollte ich einfach mehr an meinem Schach arbeiten. Die Website ist eine gute Kontrolle. Ich kann zeigen, wie ich in den Turnieren gespielt habe. Und ich möchte, dass meine Fans verfolgen können, was ich tue.

Die Internetseite ist also auch eine Motivation für Sie?
Ja, es ist für mich Ansporn. Denn wenn ich Berichte über Turniere schreibe, dann muss ich mich eben auch mit den Partien beschäftigen. Außerdem fühle ich jetzt eine Verpflichtung, weil ich die Webpage ständig aktualisieren muss.

Dennoch überrascht es, dass Ihre Seite so aktuell ist. Das ist sehr ungewöhnlich für einen Spieler Ihres Kalibers.
Das mag sein, allerdings muss ich die Analyse-Arbeit sowieso tun. Und einen Teil davon stelle ich eben auf der Webpage zur Verfügung. Es ist aber auch eine Menge Arbeit für meinen Webmaster, mit dem ich befreundet bin. Denn er muss das ganze Material hochladen. Ich verliere also wenigstens damit keine Zeit.

War es die Idee Ihres Freundes, die Site zu machen?
Nein, es war meine Idee. Aber wir haben natürlich im Vorfeld viel darüber geredet. Und als ich mich dazu entschieden habe, haben wir eng zusammengearbeitet.

Sie sind ein Star in Frankreich, seit Sie mit 14 Jahren jüngster Großmeister der Geschichte wurden. Wie kommt Ihre Webseite bei Ihren Fans an?
Das ist natürlich recht „cool“. Die Fans können jetzt nicht nur meine Turniere sehr viel näher verfolgen. Der direkte Austausch ist auch viel intensiver. Ich bekomme viele Emails. Nicht alle kann ich umgehend bearbeiten, insbesondere wenn ich ein Turnier spiele. Aber ich versuche, zeitnah zu antworten. Im Moment bin ich sehr zufrieden mit der Site.

Bei den Analysen können Sie natürlich nicht alles verraten …
Klar, ich bin ein aktiver Spieler. Aber wenn ich Partien analysiere mit Eröffnungen, die nicht zu meinem Repertoire zählen, dann gebe ich schon auch detaillierte Hinweise. Manchmal profitiere ich aber auch von Ideen der Leser, die mir irgendwelche Verbesserungen zuschicken. (lacht)

Sie haben einige gute Rubriken auf der Website, wo Sie z.B. die interessantesten Neuerungen der letzten Turniere vorstellen.
Ja, ich will den Lesern einfach etwas Sinnvolles an die Hand geben. Manchmal analysiere ich auch Endspiele. Diejenigen, die meine Site besuchen, sollen auch davon profitieren.

Wieviel Zeit investieren Sie für die Seite?
Das ist sehr unterschiedlich. Jetzt während des Turniers gebe ich jeden Abend nur kurze Berichte über jede Runde.

Die Site ist zweisprachig …
Ja, aber ich liefere immer nur in Französisch. Die englische Übersetzung macht mein Freund.

Wieviele Besucher hat die Seite im Schnitt?
Das ist unterschiedlich. Als ich gegen Iwantschuk gewann, waren es 1500. Ich glaube, für die meisten User ist entscheidend, dass sie brandaktuelles Material vorfinden. Wenn das gelingt, dann wird die Seite angenommen. Manchmal kommt die englische Übersetzung etwas später. Aber ok, das wird in Zukunft noch besser.

Das Interview führte Harry Schaack